Kenny kriegt die Krise - Vergnügungspark
Kenny kriegt die Krise
Vergnügungspark
Die deutsche Sprache ist oftmals sehr mysteriös, findet sie doch für viele Dinge Worte, die mit ihrer Bedeutung dem eigentlichen Charakter des zu beschreibenden Objekts nicht wirklich gerecht werden. Zum Beispiel ist ein Riesenschnauzer nicht wirklich groß, eine Trauerfeier nicht sehr amüsant, und ein Vergnügungspark nun ja.
Lässt man sich einmal breitschlagen einen ganzen wertvollen Tag in einem eben Solchen zu verbringen, werden die Weichen zu Erfolg oder Desaster bereits früh gestellt. Es fängt bereits mit dem Wetter an. Regnet es, kann kaum eine der atemberaubenden Achterbahnen fahren und man ist darauf beschränkt sich die Zeit mit wahnwitzigen Attraktionen wie dem leider seit 1987 veralteten 3D Kino oder der Papageienshow totzuschlagen. Ganz anders hingegen bei strahlendem Sonnenschein, denn dann darf man beruhigt davon ausgehen, dass der gesamte Park bis in den letzten Winkel vollgestopft ist, mit gröhlenden Schulklassen und antiautoritär erziehenden Familien.
So ergeben sich nicht selten Szenen, wie die des hyperaktiven vierjährigen, der in der Schlange zum Dschungelrafting unter den wohlwollenden Blicken seiner Zu Unrecht- Erziehungsberechtigten den Rücken deines neuen Designerpullovers mit Schokoladensofteis kreativ verschönert. Auf Nachfrage wer diese Sauerei denn nun bezahlen solle bekommt man natürlich nichts weiter entgegengesetzt als ein lässiges "Lassen sie den kleinen doch spielen. Wir wollen Sie das Kind um keinen Preis an seiner künstlerischen Entfaltung hindern! Wenn ihre Eltern das auch so gesehen hätten, wären aus Ihnen vielleicht auch nicht so ein Spießer geworden."
Genau Ihr verkappten Späthippies. Hoffentlich wird Euer Arschlochkind später Versicherungsvertreter oder zumindest drogenabhängig.
An diesem Punkt hat man bereits die Schnauze voll, will aber den Tag dann doch nicht mit so einem Aufreger beschließen und wenigstens noch einen Bruchteil des kleinen Vermögens an Eintrittsgeld wieder in Spaßrendite zurück erhalten. Also auf zur Wildwasserbahn. Nach gerade mal einer dreiviertel Stunde Warten geht die wilde Fahrt los. Wie günstig, dass ausgerechnet jenes Exemplar aus der Gruppe jugendlichen Leichtsinns, die mit uns das Floß erklimmt, dass den höchsten Verwandtheitsgrad zum afrikanischen Flußpferd aufweist, den vordersten Platz ergattert. Und schon kommen alle Gesetze der Physik zum tragen. Das Wildwassergefährt taucht ein wie die U96 bei ihrer letzten Fahrt und die unvermeidliche Bugwelle lässt sprichwörtlich kein Auge trocken. Und keine Unterhose. Sicher mag der eine oder andere jetzt sagen, wer keine Hitze abkann, soll der Küche fernbleiben, aber auch die Hausfrau geht ja nicht mit Asbestanzug Kartoffeln kochen. Es ist eben schon eine Frage der Verhältnismäßigkeit.
Halbzeit im Fantasia- Europa- Heidepark- Legoland und die widerlich fettige Minischeibe Pizza für zehn Euro lässt die Laune ebenso wenig steigen wie das sich von einer Überdosis Zuckerwatte übergebende Grundschulkind am Nebentisch. Ein letzter Anlauf den Tag zu retten und hinein in die Schlange zur Hauptattraktion. Das Guinnessbucheintragwürdige Rollercoaster-Monster donnert bereits von weitem wie eine aufziehende Sturmfront. Nur 174 Minuten später ist es soweit und das Adrenalin schießt durch die Eingeweide als es im 45 Grad Winkel den Anlauf hinauf geht. Zweieinhalb Minuten, vier Loopings und zwei Korkenzieher später ist es vollbracht und zu aller Überraschung hat niemand, nicht einmal in der 4G Kurve, auch nur kurz mit seinem Schicksal gehadert. Die Entscheidung steht: Noch mal das Ganze!
"Der Park schließt in zehn Minuten, wir möchten sie bitten sich zügig in Richtung Ausgang zu bewegen" dröhnt es aus der Lautsprecheranlage. Hm, schade. Ein Glück dass man gleich die Saisontickets gelöst hat, das schreit doch nach einer Wiederholung. Morgen. Wenn es nicht regnet.
Text: Hendrik Menz (hendrik@menzmusic.com)