Kenny kriegt die Krise - Generationenkrise
Kenny kriegt die Krise - Generationenkrise
Ist man 18 kommen einem 30 jährige wie Steinzeitmenschen vor. Mit Mitte zwanzig kann es sein, dass bereits ein größerer Teil des Freundeskreises und vor allem der Arbeitskollegen diese magische Grenze überschritten haben. Kaum brennen auf der eigenen Geburtstagstorte mehr Kerzen als bei zwei VIVA Moderatoren zusammen, werden immer mehr Parallelen zwischen dem Leben der Eltern und dem eigenen augenfällig. Auch wenn man es nicht gern zugibt, man trägt plötzlich eher Oberhemd als T-Shirt, auch in der Freizeit, schaut mehr Sport als man treibt, wählt gelb statt grün und sagt immer öfter Sätze wie "Diese Jugend von heute... .
Es ist noch nicht die Rente oder der unausweichliche Tod, den man vor Augen hat, das Gefühl die besten Jahre eventuell schon hinter sich zu haben macht sich dennoch stetig schwelend breit. Häufige Reaktionen sind der fast schon sprichwörtliche Sportwagen, die unpassend jugendlichen Klamotten und Verhaltensweisen beim Ausgehen und nicht selten das Schielen nach wesentlich, häufig sogar unanständig viel, jüngeren Frauen. Auch wenn man Bilder von Michael Douglas oder Sean Connery vor sich hat, wie sie ein mittzwanziger Starlet nach dem nächsten vernaschen, im wirklichen Leben wirkt ein Altersunterschied von mehr als zehn Jahren einfach nicht so lässig wie beabsichtigt. Sobald der neutrale Beobachter größere Schwierigkeiten bekommt zu entscheiden ob Freundin oder Pflegerin, erotische Massage oder geregeltes Windelwechseln, sollte man die gewählte Alterskonstellation dringend überdenken.
Die einzige ehrenhafte und daher nicht selten praktizierte Taktik sich wieder lebendiger zu fühlen ist umstrittenermaßen das Kinderkriegen. Dazu gehören ja unzweifelhaft immer zwei, bleibt also zu hoffen, dass sich die langjährige Beziehung nicht vom peinlichen Gangsta- Gepose im geliehenen SLK hat vertreiben lassen. Ist es dann aber so weit mit der Fortpflanzung, und das wird jedes frische Elternpaar bestätigen, fühlt man sich nach dieser "größten Erfahrung überhaupt sofort selber wie "neu geboren und "sieht die Welt plötzlich mit ganz anderen Augen . Wenn jeder der diese Phrasen noch nie in seinem Bekanntenkreis gehört hat, mir sofort einen Euro überwiese... Am Ende des Tages würde ich mir trotzdem keinen Döner davon kaufen können. Nicht mal in Berlin.
Die grundsätzliche Euphorie, veränderte Weltanschauung und diesen ganz speziellen "Babytalk" unter Frischeltern, vermag ich im Moment nur als Außenstehender zu beurteilen und stehe daher vorerst zu meiner Meinung, das meiste davon ist schlicht auf Schlafentzug zurückzuführen. Sobald ich die Erfahrung aus erster Hand berichten kann werde ich dies tun, möchte aber jetzt schon dringend anmerken: Glauben Sie mir kein Wort, ich hab drei Wochen kein Auge zugetan!
Ähnlich subjektiv reflektiere ich wohl auch auf andere Dinge. Gestern Abend flimmerten die European Music Awards auf MTV, der ehemals unangepassten rebellischen Mutter aller Musiksender, über meinen 50 Zoll Bravia Flatscreen. Zunächst überwog der Eindruck, die "Jugend von heute sei ziemlich durchgeknallt, musikalisch und modisch desorientiert bis blind, und noch billiger zu begeistern als ein dänischer Setter von einem alten Tennisball. Dieser Eindruck hielt auch bis zum bitteren Ende, schockiert war ich allerdings über die Rollen die, ich mag nicht sagen "Idole , zumindest aber "Popikonen meiner eigenen Jugend dabei spielten.
Snoop Doggy Dogg, seines Zeichens allroundbegabter Pornoproduzent, Dauerkiffer und Gangsta-Rapper, der sich mit diversen Straftaten schmückt und dem unter anderem in diversen europäischen Ländern wegen des Besitzes halbautomatischer Faustfeuerwaffen die Einreise verwehrt wurde, verlieh einen Preis an einen Anti- "Gewalt unter Jugendlichen Aktivisten. Ach was?!
Etwas näher an seinen Kernkompetenzen bewegte sich Dave Grohl, ehemals Schlagzeuger bei der Band, die wohl nicht nur meinen Start in die neunziger entscheidend mitprägte: Nirvana. Saufend, Mädels betatschend und stellenweise unmotiviert "Muuuuniiiich grölend, hatte er seine eigene kleine kleine V.I.P. Bar, in der sogar arme deutsche Promis wie der Bobbele am eigenen Leib erfahren mussten, was 20 Jahre Grunge so mit einem anstellen können. Alles in allem war dieses heißeste Event der Popkultur eine mehr als peinliche und von mehr Werbepausen als beim Homeshoppingkanal unterbrochene Veranstaltung, mit mehr oder minder-eingetrübten und -bemittelten Stars und Sternchen.
Ich habe das Gefühl eben diesen selben Eindruck hätte ich sicher auch schon mit zwanzig von dem ganzen Spektakel gehabt. Vielleicht hab ich aber auch einfach zu wenig Schlaf bekommen, die letzten Tage.
Text: Hendrik Menz (hendrik@menzmusic.com)