Kenny kriegt die Krise - Fernsehkrise
Kenny kriegt die Krise
Samstagabend, ans Bett gefesselt und schutzlos, der immergleich stur jeglichem Anspruch trotzenden Willkür deutscher Programmdirektoren ausgesetzt!
Fast 20 Euro im Monat gehen an die breakdancenden, Gospel singenden "Bett oder Knast"- Fuzzis von der Gebühren Einzugs Zentrale. Wofür? Einen zweitklassigen Bond um zwanzig nach zehn und davor noch schnell das Wort zum Sonntag. Von 20.15 Shows braucht man ja gar nicht erst anzufangen. Das Musikantenmassaker oder die Superhitparade der Volksverdummung erreichen sicher ähnlich breite Bevölkerungsteile wie das einzige, so genannte, Showhighlight im Zweiten. Der Einzige der unseren lieben Tommy noch für jugendlich und/oder cool hält, wenn er einmal im Monat prominenten Hotties auf seiner Couch in den Ausschnitt giert und mit seinen Rentnerpfoten ihre Knie befummelt, ist zweifellos er selber.
Peinlich in einem Ausmaß, dass es eigentlich nur noch von den Privaten übertroffen werden kann. Man mag sagen, die bekommen ja nichts ab von unseren Rundfunkgebühren, und doch müssen wir teuer für die neuesten Serienhits und Spielfilme aus Hollywood bezahlen. Und damit sind nicht die Werbeblöcke, Interstitials und Split Screens gemeint, die allabendlich einen Frontalangriff auf den gesunden Menschenverstand lancieren, denn jeder der zumindest ein Restvermögen körperlicher Mobilität besitzt nutzt diese Sieben- Minuten- Fenster zum Pipi machen oder Snackbestände auffüllen.
Nein, die Bedrohung ist viel hinterhältiger, eben das nämlich, was uns zwischen der Werbung als "Unterhaltung" verkauft werden soll. Die Liste der Horrorvorstellungen zur Prime Time, ist mittlerweile schon so unfassbar lang, dass selbst ich kaum Worte dafür finde.
Versuch macht aber immer noch klug und es gibt nix Gutes außer man tut es, weswegen zumindest das eine oder andere Gehirnzellenmassaker an dieser Stelle eine satte Abmahnung erfahren sollte.
Beginnen wir doch einfach. Sehr einfach. Was sich zunächst als harmloser Sender aus einem winzigen Beneluxland in unsere Programmzeitschriften schlich, hat mittlerweile ein geradezu Menschenrechte verletzendes Ausmaß an Showgrausamkeiten hervorgebracht. Die Krönung aller Schlechtigkeit erreichte uns mit der Suche nach einem Superstar. Zum mittlerweile dritten oder vierten Mal wird wieder gecastet was der Pöbel hergibt, um ihn oder sie zu finden: einen Star, eine Gesangsikone, ein Pop Idol (wie der Dreck im Original ja heißt), kurz: Jemand der dann genauso unfassbar Reich und Berühmt werden wird, wie zuvor schon Alexander Klaws und Ellie Werweissnochwie. Bin ich der einzige der hier die Ironie erkennt?!
Der Grad an Demütigung und schamloser Verarschung der jeder Teilnehmer hier ausgesetzt ist, bleibt sogar vom zweiten großen Folterinstrument der Luxemburger unerreicht. Big Brother, die Show die wirklich niemanden mehr interessiert. Mittlerweile kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass das Verhältnis von Gehirnzellen zwischen Zuschauern und Agierenden mit 50:50 (nein, nicht in Prozent, sondern tatsächlicher Anzahl) so ziemlich zu einem Gleichstand gekommen sein dürfte.
Was waren das noch für Zeiten, in denen man die Namen aller Protagonisten einer Fernsehsendung kannte, deren einzige Leistung in der Zustimmung bestand, sich beim kacken filmen zu lassen.
Im Vergleich zu diesen Formaten, scheinen Konkurrenzprodukte, bei denen bekannte Gesichter in außergewöhnlichen Situationen gefilmt werden, geradezu revolutionär amüsant. Schadenfreude heißt hier das Stichwort. Was haben wir gelacht als der alte Grieche in den Dschungel schiss und der blonde Transvestit ein Känguru Ei verputzen durfte. Warum? Weil wir andere Menschen einfach zu gern Leiden sehn.
Und just in dieser Sekunde kommt mir auch schon eine hervorragende Idee für den nächsten privaten Quotenknaller. Einige unschuldige GEZ- Zahler werden beim fernsehen gefilmt! In Staffel zwei werden diese dann als Krönung mit der Wiederholung ihrer eigenen ersten Staffel gefoltert. Programm macht Programm macht Programm.
Mit dieser Idee hätte ich leicht zum größten Medienmogul der Republik aufsteigen können, wäre da nicht in letzter Sekunde die einstweilige Verfügung von EnDeMol ins Haus geflattert, in der auf deren Urheberrecht für dieses Konzept verwiesen wird und mir jegliche Andeutung einer kreativen Beteiligung unter "Tod- durch- Käse- Strafe" untersagt wird. Die Produktion läuft übrigens bereits, Sendestart diesen Sommer.
Text: Hendrik Menz (hendrik@menzmusic.com)