Marcel Niemeier: Weniger ist mehr
Mit dem Aufräumcoach Marcel Niemeier aufgeräumt durchstarten
2023 ist angebrochen und damit einhergehend stehen bei vielen Neujahrsvorsätze auf der Agenda – mehr Sport, kein Fleisch mehr essen oder einfach weniger Stress sind nur einige Beispiele für gängige Zielsetzungen zum Jahresbeginn. Wie wär‘s, auch für ein wenig mehr Ordnung zu sorgen – sowohl in den eigenen vier Wänden als auch mental? „Weniger Zeug, mehr Leben“, lautet das Motto von Marcel Niemeier, der seit knapp zwei Jahren nebenberuflich als Aufräumcoach in Braunschweig und der Region unterwegs ist. Dabei gibt er Ordnungstipps, hilft beim Ausmisten und verrät Strategien, wie sich gar nicht erst so viel Zeug anhäuft.
Neugewonnene Leichtigkeit
Marcel Niemeier ist ein echter Naturliebhaber. Bei einer Wandertour beschränkte er sein Gepäck einmal auf das absolute Minimum und bemerkte, mit wie wenig Kram man auskommen und trotzdem eine wunderbare Zeit haben kann. Über das Unterwegssein mit Weniger verfasste der 34-Jährige sogar einen kleinen Reader, der auf seiner Homepage kostenlos zum Download zur Verfügung steht.
Die Leidenschaft für den Minimalismus war also geboren, Marie Kondō tat das Übrige. Inzwischen ist Marcel selbst zum Ordnungsexperten und Motivator geworden, der dabei hilft, alten Ballast abzuwerfen und das Leben mit neugewonnener Leichtigkeit zu beschreiten. Auch der Umwelt und dem Tierschutz tut er dabei etwas Gutes, denn etwa einmal im Monat begibt sich der Aufräumcoach auch auf Müllsammelexpedition und räumt auch in Braunschweigs Parks auf. Darüber hinaus spendet er 25 Prozent seiner Aufräumeinnahmen an die regionalen Tier- und Artenschutzorganisationen NABU Niedersachsen und Hearts4Paws e.V. Am 23. Januar gibt Marcel übrigens über die VHS Braunschweig einen Online-Kurs zum Thema Aufräumen und Ausmisten, am 19. April folgt der Kurs noch einmal in Präsenz – schaut doch einfach mal vorbei!
Aufräumtipps von Marcel Niemeier
Marcel, warum sind Neujahrsvorsätze gut oder schlecht?
Sie sind gut, weil sie Motivation bringen. Man kann das neue Jahr gut als Neuanfang nutzen. Am besten finde ich jedoch, schon vor der dunklen Jahreszeit anzufangen und die Zeit zu Hause dann zu nutzen. Andererseits reflektiert man auch viel zwischen den Jahren und hat dann frische Entschlüsse, die man gleich angehen kann. Gerade nach so einem Fest wie Weihnachten kann man seinen Konsum und seine Ziele für das nächste Jahr noch einmal gut hinterfragen. Konsumiere ich gerade in einem für mich richtigen Maß oder dürfte es auch weniger sein? Man darf nicht zu streng mit sich sein, aber es ist wichtig, es überhaupt zu versuchen und sich langsam ranzutasten.
Was ist der erste Schritt in Richtung Ordnung?
Der erste Schritt ist, das richtige Mindset zu schaffen. Man muss eine Antwort auf folgende Frage entwickeln: Wie möchte ich leben? Wenn du zum Beispiel gerne kochst, dann hast du eine bestimmte Vorstellung, wie deine Küche auszusehen hat und dann braucht man auch einiges an Utensilien, Gewürzen et cetera. Dort minimalistisch ranzugehen, wäre dann nicht das Richtige. Man braucht eine Vision, ein Bild davon, wie das eigene Leben aussehen soll, um ein Ziel zu erreichen. Dazu kommt eine große Portion Geduld, denn Ordnung ist ein Prozess – sogar ich stecke da noch mitten drin! Man entwickelt sich immer weiter, deshalb muss man auch in gewissen Abständen hinterfragen, ob man dieses oder jenes wirklich (noch) braucht. Denn auch die Zeiten ändern sich: Brauchen wir heutzutage im Homeoffice noch einen Locher, Tacker oder Drucker, wenn doch alles eigentlich digital ist?
Was ist der häufigste Fehler, der zu Unordnung führt?
Prokrastination, falsches Prioritätensetzen und Aufschieben. Natürlich geht man an einem sonnigen Wochenende lieber raus und genießt das Wetter, statt aufzuräumen. Da hilft dann eine Routine, die man in den Alltag integriert. Wenn man immer wieder sein Besitztum hinterfragt und reflektiert, häuft sich gar nicht erst so viel an.
Warum haben wir alle zu viel Zeug?
Natürlich spielen gutes Marketing sowie die schnelle und einfache Verfügbarkeit etwa beim Online-Shopping eine große Rolle. Man verspürt einen Impuls und schon liegen die neuen Kuschelsocken im Warenkorb. Kaufen setzt natürlich Glückshormone frei – allerdings nur kurzzeitig! Man sagt, das Glücksgefühl eines neuen Kaufs halte maximal drei Tage an. Dann will man wieder etwas Neues und so kann ein Teufelskreis beginnen.
Warum liebst du Ordnung?
Ich glaube, ich habe das ein stückweit von meinem Vater geerbt, aber es verhilft mir auch sehr zu kognitiver Leichtigkeit. Ich weiß genau, wo was ist. Alles hat ein System und eine Struktur, und ich muss mich weniger mit Dingen beschäftigen, was einen natürlich auch enorm entlastet und Stress nimmt. Man fühlt sich in allem leichter.
Du hast auf deiner Instagram-Seite kürzlich ein Zitat gepostet: „Ungenutzter Krempel ist die Kacke deines Konsums“ – muss man das so bildlich ausdrücken, um zu bemerken, wie unsinnig ständiger Konsum ist?
Ja, irgendwie schon. Letztlich liegt dann einfach nur Scheiße rum, die man nicht braucht. Ich habe den Vergleich in einem Buch gelesen: Man isst etwas und scheidet es wieder aus. Und so ist es mit unseren Dingen auch: Wir verwerten sie, gebrauchen sie und irgendwann muss man sie eben wieder ausscheiden, um Platz für etwas Neues zu schaffen. Mit dem Krempelkaufen machen wir das aber nicht – wir nehmen immer nur auf und irgendwann ist unser Zuhause und auch unser Geist voll!
Drei Tipps fürs Aufräumen?
Eine Routine setzen, also das Aufräumen im Kalender terminieren. Das können auch nur 20 bis 30 Minuten in der Woche sein. Wichtig ist auch, sich eher kleine Ziele zu setzen – nicht ein ganzes Zimmer angehen, sondern vielleicht erstmal mit einer Schublade anfangen. Auch an einem Sonntag mit schönem Wetter kann man 20 Minuten lang mal seine alten Socken aussortieren. So muss man sich herantasten. Dann ist es hilfreich, das Aufräumen mit positiven Dingen zu verknüpfen – dabei Musik hören zum Beispiel. Motivation holt man sich übrigens auch gut über Aufräum-Podcasts und das spornt zusätzlich an. Einen letzten Tipp noch: Dem Kaufimpuls nicht direkt nachgeben. Lieber nochmal zwei bis drei Tage nachdenken, bevor man etwas Neues kauft. Je weniger Zeug man hat, desto leichter ist es.
Ein Beitrag von Louisa Ferch, 06.01.2023