Sandra Hüller: „Kultur braucht Sicherheit“
Filmfestival-Preisverleihung
Bei der Preisverleihung des 39. Braunschweig International Film Festival (BIFF) räumen insbesondere zwei Filme ab – „Die EUROPA“-Preisträgerin Hüller überrascht mit gewichtigem Statement
Dass die international gefragte Schauspielerin Sandra Hüller im Rahmen des 39. Braunschweig International Film Festival (BIFF) mit dem Hauptpreis Die EUROPA ausgezeichnet wird, stand bereits im Vorfeld fest. Für eine Überraschung sorgte dabei indes einerseits die wichtige Botschaft ihrer Rede sowie die Verwendung des Preisgeldes.
„Es ist eine Ehre, diese Auszeichnung entgegenzunehmen“, freute sich Hüller bei der Preisverleihung. „Dafür bedanke ich mich herzlich – und auch für die inspirierten und erhellenden Begegnungen in Braunschweig.“ Der Name EUROPA passe hervorragend zum BIFF, „so ein schönes und engagiertes Festival, das schon seit fast 40 Jahren existiert“. Hüller selbst fühle und verstehe sich selbst als Europäerin, „nicht im Sinne eines Territoriums, sondern im Sinne einer Gemeinschaft, die sich gegenseitig unterstützt und beschützt, so heterogen sie auch sein mag“. Und, so bekräftigte sie: „Entgegen vielen muskulösen Meinungen denke ich, dass diese Qualitäten wichtig bleiben.“
Für das Preisgeld selbst hat die Schauspielerin einen besonderen Verwendungszweck: jeweils 5.000 Euro spendet sie an die Vereine Frauen für Frauen Leipzig, das Ostpassagetheater Leipzig, Mosaik Leipzig, die Tafel Leipzig sowie den Bundesverband Psychosoziale Prozessbegleitung. „Ich persönlich bin momentan in der glücklichen Lage, gut auszukommen und deshalb habe ich entschieden, das Geld, das Die EUROPA mitbringt, unter fünf Organisationen und Vereinen aufzuteilen, die unermüdlich und zum großen Teil ohne staatliche Unterstützung oder Sponsoren dafür sorgen, dass an alle gedacht wird in dieser Gesellschaft, die sich sehr glücklich schätzen kann, dass es diese Menschen gibt“, erläuterte sie ihre Entscheidung. Die sehr bewegende Laudatio für Hüller hielt unterdessen die deutsche Autorin und Künstlerin Karen Köhler – unter anderem Trägerin des Deutschen Jugendliteraturpreises. Beide verbindet eine lange und innige Freundschaft.
Hauptsponsor Volkswagen Financial Services: „Dieses Festival macht Braunschweig stolz!“
Sichtlich sprachlos war der Regisseur Georgi M. Unkovski, der seinen Debütfilm DJ AHMET (2025) als Deutschlandpremiere im Hauptwettbewerb des Festivals präsentierte und dafür gleich mit zwei Preisen ausgezeichnet wurde. Unkovski, der in Nordmazedonien aufwuchs, erzählt in dem Film vom 15-jährigen Ahmet, lebend in einem abgelegenen, nordmazedonischen Dorf, der davon träumt DJ zu werden. Der Druck seines konservativen Vaters und die Pflichten als Schafhirte belasten ihn… mit Charme, Witz und Wärme erzählt der Film leichtfüßig vom Erwachsenwerden.
„Es ist mir ein riesiges Vergnügen hier zu sein. Der Film ist getragen durch die Schauspieler:innen, denen ich unendlich dankbar bin“, so Unkovski. Nachdem er von Angela Kleinhans (Volkswagen Financial Services) den mit 10.000 Euro dotierten Jurypreis Volkswagen Financial Services Filmpreis überreicht bekam, durfte er in der Folge für den Publikumspreis Der HEINRICH erneut auf die Bühne – auch dieser mit 10.000 Euro ausgelobte Preis ging an den Regisseur von DJ AHMET. „Ich war nicht mal für einen Preis vorbereitet“, lachte Unkovski, und blickte sichtlich sprachlos in das voll besetzte Staatstheater Braunschweig. „Die atemberaubende Filmkunst fängt die faszinierenden Landschaften des Schauplatzes ein und offenbart die Seele des Ortes ebenso lebendig wie die seiner Bewohner:innen. Die jungen Darsteller:innen strahlen Wärme und Authentizität aus und verleihen der Geschichte Humor und Rührung zugleich“, begründete die Jury des Volkswagen Financial Services Filmpreis die Entscheidung.
Dr. Carsten Krebs, der für Volkswagen Financial Services den HEINRICH übergab, lobte dabei das Festival als Plattform: „Auf dem Braunschweig International Film Festival entsteht stets etwas Neues – und ich spreche nicht nur von der eigentlichen Festivalwoche, sondern von all dem, was das ganze Jahr hindurch passiert. Das macht uns als Hauptsponsor und Braunschweig insgesamt stolz!“ Das Preisgeld für den Publikumspreis Der HEINRICH wird, so sieht es der Preis vor, hälftig zwischen Regie und dem deutschen Verleih Neue Visionen Filmverleih aufgeteilt, seines Zeichens einer der führenden unabhängigen Filmverleih-Unternehmen in der Bundesrepublik.
Roesler: „Ohne starke Netzwerke und starke Frauen wäre ich gar nicht hier.“
Ebenfalls doppelt abgeräumt hat der Film LUISA, beziehungsweise die Regisseurin Julia Roesler. Mit Die TILDA überreicht ein Zusammenschluss an 75 Stifterinnen einen Preis – „uns verbindet die Leidenschaft genau hinzugucken und Frauen, die gesehen werden wollen, eine Plattform zu geben“, so Initiatorin des Frauenfilmpreises Cornelia Rohse-Paul in ihrer Rede. „Uns ist es ein wesentliches Ansinnen Menschen am Anfang ihrer Karriere in der Filmbranche zu unterstützen“, unterstrich sie. Daran knüpfte Julia Roesler unmittelbar an: „Ohne starke Netzwerke und starke Frauen um mich herum wäre ich als dreifache Mutter gar nicht in der Lage in der Filmbranche zu arbeiten.“
Eine lobende Erwähnung sprach die Jury für PROMISED SKY (Regie: Erige Sehiri) aus. LUISA wiederum nimmt eine junge Frau – Anfang 20 – in den Fokus, die in einer Wohngruppe für Menschen mit Behinderung lebt. Unerwartet wird sie schwanger, der Verdacht auf sexuellen Missbrauch steht im Raum. Das Drehbuch ist präzise recherchiert, Ereignisse basieren auf realen Missbrauchsfällen, Dialoge auf Interviews mit Betroffenen, Betreuenden und Eltern. Die Rollen wurden mit professionellen Schauspieler:innen mit Behinderung besetzt und in einem längeren vorbereitenden Prozess zusammen entwickelt. LUISA ist dabei das Spielfilmregiedebüt von Roesler. Mit nach Hause nehmen kann sie übrigens auch den mit 5.000 Euro dotierten Heimspiel Preis. Dazu Jury-Mitglied Ann-Claire Richter von der Braunschweiger Zeitung, die zugleich auch Sponsor des regional verankerten Preises ist: „Dieser Film geht unter die Haut. Sorgfältig recherchiert, großartig gespielt, anrührend umgesetzt. Der Film lässt einen mit vielen offenen Fragen zurück – und muss deshalb unbedingt im Kopf weiter gedacht werden.“
Queerer Filmpreis ECHT: „Es ist wichtig diesen Filmen Sichtbarkeit zu geben.“
Die Auszeichnung ECHT konnte währenddessen an 15 LIEBESBEWEISE (Frankreich 2025) von Regisseurin Alice Douard übergeben werden. Dazu betonte Jurymitglied Kadir Özdemir – Autor, Theatermacher und politischer Bildner – über den queeren Filmpreis: „Es ist wichtig diesen Filmen Sichtbarkeit zu geben.“ Douard selbst strahlte dankbar über die Auszeichnung für ihren ersten Film, der am 04. Dezember in die deutschen Kinos kommen wird. Eine lobende Erwähnung wurde von der Jury zudem für QUIR von Regisseur Nicola Bellucci ausgesprochen.
Der Nachhaltigkeitspreis Green Horizons Award ging an THE BATTLE FOR LAIKIPIA (Griechenland, Kenia, USA 2024) von Daphne Matziaraki und Peter Murimi. Der Film erzählt auf Augenhöhe die Auswirkungen der Wasserkrise historischen Ausmaßes in Kenia, die die Wunden der Kolonialzeit aufreißt und das Land vor außerordentliche Herausforderungen stellt. „Der Film bezieht seine Spannung aus dem Ausbleiben des Regens und den immer dramatischeren Auswirkungen auf Natur und Menschen. Das Ganze auf eine emphatische und cineastische Weise, ohne zu kommentieren, im besten dokumentarischen Sinne“, so Jurymitglied Anna Katharina Hanusch (Stadt Braunschweig, Stadträtin für Umwelt, Stadtgrün und Hochbau). Eine lobende Erwähnung ging zudem noch an SPARSCHWEIN (Österreich 2024) unter der Regie von Christoph Schwarz.
Lob für die familiäre und persönliche Atmosphäre des Festivals
Über den Publikumspreis für den besten Kurzfilm Die EDDA, ermöglicht durch die Stiftung Braunschweiger Land, durfte sich Regisseurin und Drehbuchautorin Mansi Maheshwari (Großbritannien, Indien 2024) freuen. „Das kommt ziemlich unerwartet“, nahm sie baff den mit 2.000 Euro dotierten Preis für ihren Kurzfilm BUNNYHOOD (Vereinigtes Königreich 2024) entgegen. Mehr als dankbar verlässt auch Nicolas Keitel das Festival: Der französische Regisseur gewann den deutsch-französischen Jugendpreis KINEMA, der vom Land Niedersachsen, dem Deutsch-Französischen Jugendwerk, der Friedrich-Walz-Stiftung, dem Institut français Deutschland, der Académie de Normandie und Kinema e. V.“ ermöglicht wird. Sein nun ausgezeichneter Film THE GIRL WITHOUT A NAME (Frankreich, Belgien 2025) reiste als Deutschlandpremiere nach Braunschweig. Keitel freute sich nicht nur über den Preis, sondern betonte auch die familiäre und persönliche Atmosphäre des Braunschweig International Film Festival. Damit war er nicht allein: viele Schauspieler:innen und Filmemacher:innen schätzen die sehr individuelle und persönliche Betreuung in der Löwenstadt, die auch dank des Engagements der vielen ehrenamtlichen Vereinsmitgliedern und Helfer:innen gestemmt werden kann.
Ebenfalls zeichnet sich das Festival zunehmend über die jedes Jahr steigende Nachfrage in der jüngeren Zielgruppe aus. „Wir stehen für ein starkes Programm von jungen europäischen Nachwuchs-Filmschaffenden – es ist wunderbar zu sehen, wie dies auch in der jungen Zuschauerschaft gut ankommt“, so der Filmfest-Vorsitzende Thorsten Rinke. Details zum Braunschweig International Film Festival (BIFF) sind auf www.filmfest-braunschweig.de sowie in den sozialen Medien zu finden.
Preise, Preisgelder & Gewinner:innen 2025
Preis |Preisgeld | Gewinner:in
Die EUROPA | 25.000 Euro |Sandra Hüller
Volkswagen Financial Services Filmpreis |10.000 Euro | DJ AHMET, Regie: Georgi M. Unkovski, Nordmazedonien, Tschechien, Serbien, Kroatien 2025
Der HEINRICH | 10.000 Euro | DJ AHMET, Regie: Georgi M. Unkovski, Nordmazedonien, Tschechien, Serbien, Kroatien 2025
Die TILDA | 6.000 Euro | LUISA, Regie: Julia Roesler, Deutschland 2025 / Lobende Erwähnung, PROMISED SKY, Regie: Erige Sehiri, Frankreich, Tunesien, Katar 2025
Heimspiel Preis | 5.000 Euro | Julia Roesler (Regie) für LUISA, Regie: Julia Roesler, Deutschland 2025
ECHT | 2.500 Euro | 15 LIEBESBEWEISE, Regie: Alice Douard, Frankreich 2025 / Lobende Erwähnung. QUIR. Regie: Nicola Bellucci. Schweiz 2025
Green Horizons Award | 2.500 Euro | THE BATTLE FOR LAIKIPIA, Regie: Daphne Matziaraki & Peter Murimi. Griechenland, Kenia, USA 2024 / Lobende Erwähnung, SPARSCHWEIN, Regie: Christoph Schwarz. Österreich 2024
Die EDDA | 2.000 Euro | BUNNYHOOD, Regie: Mansi Maheshwari, Vereinigtes Königreich 2024,
Deutsch-französischer Jugendpreis KINEMA | 2.500 Euro | THE GIRL WITHOUT A NAME, Regie: Nicolas Keitel, Frankreich, Belgien 2025
Neun Preise | 65.500 Euro
SAVE THE DATE
40. Braunschweig International Film Festival (BIFF) | 09. bis 15. November 2026
Weitere Informationen und Updates zum BIFF unter:
www.instagram.com/filmfestivalbraunschweig
www.linkedin.com/company/internationales-filmfest-braunschweig/
www.facebook.de/braunschweiginternationalfilmfestival
Quelle: PM 17.11.2025
