Digitale Rekonstruktion der Wolfenbütteler Synagoge
Besuch mit Hilfe einer hochmodernen Virtual Reality-Brille
Das Bürger Museum schlägt ein weiteres Kapitel des jüdischen Lebens in Wolfenbüttel auf. In Zusammenarbeit mit Dr.-Ing. Marc Grellert, Technische Universität Darmstadt, entstand für das Museum eine digitale Rekonstruktion der früheren Wolfenbütteler Synagoge. Zukünftig können die Besucherinnen und Besucher mit Hilfe einer hochmodernen Virtual Reality-Brille im Tempelraum der Synagoge Platz nehmen. Darüber hinaus lässt ein Film das jüdische Gotteshaus in der Lessingstraße an alter Stelle neu entstehen.
Die 1893 eingeweihte und von Constantin Uhde gebaute Wolfenbütteler Synagoge in der Lessingstraße.
(Foto Marc Grellert_TU Darmstadt)
In der Nacht des 9./10. November 1938 hatten Angehörige der Schutzstaffel (SS), die den Nationalsozialisten als Unterdrückungsinstrument diente, die Wolfenbütteler Synagoge in Brand gesetzt. Dieses im orientalischen Stil und vom berühmten Braunschweiger Baumeister Constantin Uhde gebaute Gotteshaus war 1893 von der hiesigen jüdischen Gemeinde und der Wolfenbütteler Stadtgesellschaft als Zeichen der religiösen Integration feierlich eingeweiht worden. In der Pogromnacht brannte die Synagoge bis auf die Mauern nieder. 1939 wurde das Gebäude auf Drängen der Nationalsozialisten und der Wolfenbütteler Stadtverwaltung unter dem zynischen Vorwand der Baufälligkeit vollständig abgetragen. Aktuell erinnert lediglich eine Gedenktafel, die an einem heute dort stehenden Wohngebäude angebracht ist, an die frühere Synagoge.
„Mit Hilfe neuer Technik können wir in die Vergangenheit schauen und diese für die Zukunft sichtbar machen. Das Bürger Museum möchte mit den Medien des 21. Jahrhunderts gerade junge Menschen neugierig machen auf die jüdische Vergangenheit Wolfenbüttels“, sagte Dr. Sandra Donner, Leiterin des Museums Wolfenbüttel.
Museumspädagogin Michelle Grimke wird in Zukunft mit Schülerinnen und Schülern zum Thema Synagoge Wolfenbüttel arbeiten.
(Foto Andreas Greiner-Napp_Museum Wolfenbüttel)
Die Virtuel Reality-Brille mit der Synagoge Wolfenbüttel auf der Empore des Bürger Museums.
(Foto Andreas Greiner-Napp_Museum Wolfenbüttel)
„Bei der Rekonstruktion von Synagogen ist es immer eine Herausforderung, aus den wenigen, oft widersprüchlichen Quellen, ein stimmiges Ergebnis zu erzielen. Hauptziel ist, den kulturellen Verlust deutlich zu machen und die Pracht der einstigen Gotteshäuser zu zeigen. Es geht aber auch immer darum, einen Beitrag zur Erinnerung an die Shoa zu leisten“, so Dr.-Ing. Marc Grellert, einer der führenden Experten für digitale Rekonstruktion historischer Gebäude weltweit. Bereits in den frühen 1990er-Jahren arbeitet Marc Grellert, der Digitales Gestalten an der TU Darmstadt lehrt, an Rekonstruktionen von historisch bedeutenden Bauwerken und Kulturdenkmälern, zu seinen eindrucksvollsten Aufträgen zählen die Rekonstruktionen des Vatikans, von Kaisergräber in China oder des Florentiner Doms. Unter seiner Leitung entstanden bereits über 40 Rekonstruktionen zerstörter Synagogen, weitere sind zurzeit in der Bearbeitung. Die „Darmstädter“ Synagogen sind unter https:\\virtuelle-synagogen.de im Internet abrufbar.
Anlässlich der Eröffnung der neuen Medienstation mit Film und VR-Brille hielt Dr.-Ing. Grellert den Vortrag „Die Synagoge in Wolfenbüttel – Erinnerung aus dem Computer“.
Die neue Medienstation befindet sich auf der Empore des Bürger Museums.
(V.l.n.r.) Dr. Marc Grellert, TU Darmstadt, Dr. Sandra Donner, Leiterin des Museums Wolfenbüttel, und Markus Gröchtemeier.
(Foto Andreas Greiner-Napp)
(V.l.n.r) Stadtrat Thorsten Drahn, Dr. Sandra Donner, Annette Junicke-Frommert, Markus Gröchtemeier und Marc Grellert stellten die virtuelle Rekonstruktion der Synagoge Wolfenbüttel vor.
(Foto: Stadt Wolfenbüttel)
Weitere Stimmen
Annette Junicke-Frommert, Leiterin des Fachbereichs Tourismus und Kultur der Stadt Wolfenbüttel: „Darüber, dass wir mit der digitalen Rekonstruktion der Wolfenbütteler Synagoge ein bedeutendes Stück jüdischer Geschichte wieder zum Leben erwecken, freue ich mich sehr. Diese innovative Medienstation hier im Bürger Museum soll gerade auch junge Menschen dazu inspirieren, sich aktiv mit der Geschichte und dem Erbe unserer Stadt auseinanderzusetzen. Damit setzen wir ein Zeichen für Toleranz und Vielfalt – für die Zukunft und als Mahnung an die Vergangenheit.“
Markus Gröchtemeier, stellvertretender Leiter des Museums Wolfenbüttel: „Um den Tempelraum und die Außenfassade bauhistorisch rekonstruieren zu können, haben wir in nationalen und internationalen Archiven noch einmal intensiv nach Bauplänen, Fotos und Dokumenten zur Synagoge in Wolfenbüttel recherchiert. Durch einen Zufall konnten wir zwei Fotos auf dem antiquarischen Markt erwerben, die die hiesige Synagoge unmittelbar nach der Zerstörung aus unterschiedlichen Perspektiven zeigt und die zugleich ein erschreckendes Zeitzeugnis des Antisemitismus in einer Kleinstadt darstellen.“
Quelle: PM 04.12.2025
