„Weibermacht. Die schöne Böse“
Neue Ausstellung im Herzog Anton Ulrich-Museum
Neue Ausstellung im Herzog Anton Ulrich-Museum über Angst vor weiblicher Macht und die Kraft neuer Perspektiven
Die Ausstellung „Weibermacht. Die schöne Böse“ (24.10.2025–22.02.2026) im Herzog Anton Ulrich-Museum (HAUM) widmet sich Darstellungen weiblicher Macht vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Anhand von über 70 Werken aus Graphik, Malerei, Angewandter Kunst und Skulptur illustriert die Ausstellung, wie Frauen seit dem Mittelalter als Bedrohung patriarchaler Ordnungen inszeniert wurden. Diesen Sammlungskunstwerken des Museums werden zeitgenössische Arbeiten von Künstler*innen wie Cindy Sherman, Nobuyoshi Araki oder Ute Behrend aus dem Kunstmuseum Wolfsburg zum Dialog an die Seite gestellt, die Geschlechterrollen und Machtverhältnisse neu hinterfragen und alternative Perspektiven eröffnen.
Ob Aristoteles, der sich von Phyllis reiten lässt, oder Herkules, der auf Geheiß von Königin Omphale Spindel statt Keule schwingt – die sogenannten Weibermacht-Motive zeigen Frauen als listige Gegenspielerinnen, die herrschende Ordnungen unterlaufen. Den Auftakt der Ausstellung bilden Darstellungen von u.a. Albrecht Dürer und Lucas van Leyden, die den biblischen Sündenfall zum Thema haben. Mit der Erzählung von Evas Schuld entsteht eine Urfigur der Weibermacht: Sie wird zur ersten großen Projektionsfläche, auf der sich Misstrauen, Angst und Abwertung gegenüber Frauen bündeln. Die Neuinterpretation dieser Szene: In Georg Pencz’ Darstellung von Aristoteles und Phyllis tritt der größte Philosoph der Antike in der Rolle des verspotteten Liebhabers auf – ein Symbol männlicher Angst vor weiblicher Verführung. Und im Gemälde „Herkules bei Omphale“ von Lucas Cranach d. Ä. wird der stärkste aller Helden seiner heroischen Attribute beraubt, indem er Frauengewänder trägt und spinnt – Sinnbild einer radikalen Umkehrung der Geschlechterrollen. Was jahrhundertelang als Bedrohung inszeniert wurde, verweist auf eine tief verwurzelte Angst vor weiblicher Selbstermächtigung – ein Thema, das über die Zeit nicht an Bedeutung verloren hat. Die Ausstellung verknüpft diese historischen Darstellungen mit zeitgenössischen Positionen, die gängige Rollenbilder hinterfragen und neue Narrative eröffnen. So zeigt etwa Cindy Sherman in ihrem „Untitled Film Still #2“, wie weibliche Identitäten durch mediale Bilder konstruiert und inszeniert werden. Und in Tejal Shahs Arbeit „Women Like Us“ treten queere, feministische Körperbilder hervor, die klassische Zuschreibungen radikal aufbrechen und neue Formen weiblicher Selbstrepräsentation erproben.
Anna Eunike Kobsdaj, Kuratorin und wissenschaftliche Volontärin am HAUM, fasst das Konzept der Ausstellung prägnant zusammen: „‚Weibermacht. Die schöne Böse’ beleuchtet die ambivalenten Bilder von Frauen über die Jahrhunderte – zwischen Faszination, Angst und Macht. Noch immer prägen Rollenbilder gesellschaftliche Erwartungen und Machtstrukturen. Die Ausstellung lädt dazu ein, tradierte Vorstellungen zu hinterfragen, neue Perspektiven kennenzulernen und darüber ins Gespräch zu kommen.“
Ergänzend unterstreicht Manuela Voigt, Sprecherin der Geschäftsführung der Volkswagen Leasing GmbH, die gesellschaftliche Relevanz des Projektes: „Volkswagen Financial Services unterstützt Projekte, die Kultur, Dialog und Reflexion zu gesellschaftlich relevanten Themen unserer Gegenwart und Zukunft fördern. ‚Weibermacht. Die schöne Böse‘ ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie historische und zeitgenössische Perspektiven auf Frauen in der Kunst aufeinandertreffen.“
Das Begleitprogramm mit Filmvorführungen, Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Netzwerkveranstaltungen vertieft die Ausstellungsthemen. Eine Auswahl daraus: Das Kurzfilmprogramm „Widerrechtlich weiblich“ in Kooperation mit dem Braunschweig International Filmfestival (BIFF) bringt am 06. und 16. November 2025 acht Kurzfilme weiblicher Regisseurinnen auf die Leinwand: Sie zeigen Körper im Widerstand – gegen diskriminierende Gesetzgebungen, patriarchale Gesundheitspolitik, strukturelle Ignoranz und für Selbstbestimmung. Am 15. Januar 2026 lädt das Museum gemeinsam mit Marion Lenz, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Braunschweig, zur Podiumsdiskussion „Weibermacht zwischen Klischee und Realität“. Frauen aus Handwerk, Bundesliga, Bauwesen und Verwaltung diskutieren über Rollenbilder und gelebte Führungspraxis. Die „Goodbye Weibermacht-Party“ (21. Februar 2026) setzt auf Empowerment, Sichtbarkeit und gelebte Solidarität – mit anschließendem Nachspiel im Laut Klub.
Erstmalig in der Geschichte des Herzog Anton Ulrich-Museums steht den Besucher*innen ein digitales Magazin zur vertieften Lektüre zur Verfügung, welches sie sowohl vorab zu Hause auf dem Smartphone oder Tablet als auch direkt in den Ausstellungsräumen lesen können. Autorinnen wie Ninia LaGrande, Jasmin Mittag, Ute Behrend oder Tatjana Schneider eröffnen darin vielfältige weibliche Perspektiven auf Kunst, Architektur, urbane Räume und feministische Geschichte – und zeigen, wie weibliche Macht in unterschiedlichen Kontexten sichtbar und erfahrbar wird. Interaktive Formate wie ein feministisches Quiz und ein Weibermacht-Bingo laden dazu ein, die Ausstellung spielerisch zu erkunden und eigene Positionen zu reflektieren.
Dr. Thomas Richter, Direktor des Herzog Anton Ulrich-Museums zeigt sich begeistert: „Dank eines starken Netzwerks und der engen Zusammenarbeit über alle Teams hinweg ist ein vielseitiges, innovatives Projekt entstanden: Ausstellung, Magazin und Begleitprogramm greifen ineinander, schlagen den Bogen in die Gegenwart und eröffnen neue Perspektiven. Für mich persönlich ist das ein überfälliges „HAUM Unleashed“ – ein Gefühl von Aufbruch und Begeisterung im Museum, das wir hoffentlich auch auf unsere Besucher*innen übertragen können. Großer Dank gilt allen Kompliz*innen, die mit profilierten Projekten zu einer differenzierten Sichtweise auf Weibermacht beitragen und über Geschlechterfragen hinweg diesen Aufbruch zu einem gemeinsamen machen!“
Das Herzog Anton Ulrich-Museum dankt dem Hauptsponsor sowie allen mitwirkenden Kompliz*innen der Sonderausstellung „Weibermacht. Die schöne Böse“, die mit ihrem Engagement die Ausstellung, das digitale Magazin und das Begleitprogramm in dieser Vielfalt und Qualität erst ermöglicht haben:
Ute Behrend, Küssendes Paar / Mädchen mit Pistole, 1995, Leihgabe Kunstmuseum Wolfsburg (Foto: © VG Bild-Kunst, Bonn 2025)
Kompliz*innen
Ute Behrend, Isabell Bischoff, Julia Bischoff, Nanda Bröckling, Katharina Cibulka, KUNST + kaviar, Anna Eichler, Elena Engelbrechter, Dori Yuna Lonia Förster, Karina Gauerhof + Theresa Grysczok (BIFF), Selina Glockner, Hinz & Kunst, Angela Kleinhans, Kombinat der Vulven, Nicole Kumpis, Jessy James LaFleur, Ninia LaGrande, Laut Klub, Anna Lina Lentge, Marion Lenz, Kaye Lomas, Maria Meibohm, Kristina Michalski, Jasmin Mittag, Cornelia Meseck, Janina Lisa Meyer, Queermonics, Dr. Uta Ruhkamp, Alba Scharnhorst, Prof. Dr. Tatjana Schneider, Tejal Shah, Gabriele Herdis Stephan, Niklas Stuhr, Yannik Stuhr, Tina Themel, Heike Ullmann, Alex Wandschneider, Anke Weisbrich, Natascha Wessling u. v. m.
Quelle: PM 23.10.2025
