restorchester
Ein alter Koffer, viele Erfahrungen, ein verwirklichter Traum - und die Reise kann beginnen.
Anfang 2012 trafen Jens Müller und Sascha Dettbarn in der einRaum-Galerie bei einem Event der regionalen Kulturszene aufeinander. Jens las dort ein paar seiner Texte vor und Sascha zeigte Bilder und Fotografien. Bei einem Gespräch im Anschluss merkten die zwei, dass sie musikalisch dieselben Dinge mochten und sich darüber hinaus gut ergänzten: Jens brachte fertig getextete und komponierte Stücke mit und Sascha das technische Know-How und Equipment. Die beiden bezeichnen "restorchester" auch nicht als feste Band, sondern mehr als Projekt, in welchem sich Sascha als Unterstützer sieht, sowohl in der Produktion, als auch meistens live. Das Projekt "restorchester" dreht sich immer um die Lieder des Debutalbums "auf der Durchreise". Die Musikrichtung des Projektes lässt sich schwer in Worte fassen. Es geht in Richtung Chanson/Folk aufgrund der akustischen Elemente, die warm auf den Zuschauer wirken und dem Erzählen von Geschichten. Außerdem finden sich lateinamerikanische bzw. Tango Elemente in den Liedern wieder. Ein Kontrast im Hintergrund ist die E-Gitarre, von Jens schmunzelnd als "Spaghetti-Western-Gitarre" bezeichnet. Ein direktes Zielpublikum gibt es eigentlich nicht. Es wurde zunächst gedacht, dass Leute Anfang 40 oder älter die Musik gerne mögen, da sie eine gewisse Lebenserfahrung mitbringen, die auch in den Texten behandelt wird. Doch die Erfahrung zeigt, auch jüngere Leute, wie Studenten mögen die Musik gerne.
Der Name "restorchester" ist mehrfach zu verstehen. Zum einen passt er sehr gut, da alle Lieder auf dem Album mit "Rest-Instrumenten" aufgenommen wurden. Ein altes Glockenspiel, ein Pappkoffer als Schlagzeug, ein Waschbrett. Jens macht seit 30 Jahren Musik und bezeichnet sich lachend als "übriggebliebener Rest". Bildlich lässt sich eine Theaterbühne malen, auf der zwei übriggebliebene Musiker sitzen: Der Rest vom Orchester. Das Wort spielt mit dem Gegensatz vom "Orchester", das groß und edel klingt und dem "Rest", der eher klein, abgeblättert und verschrammt ist. Diese Atmosphäre lässt sich auch in den Liedern wiederfinden: Die Texte sind tragikomisch und ironisch. Sie lassen einen ins Grübeln verfallen und verbreiten eine nostalgische Atmosphäre. Das CD - Cover rundet alles ab: zu sehen ist ein Foto aus einem Buch, das Fotografien abbildet, die wieder zurückgegeben wurden, weil sie nichts geworden sind.
Zu dieser nostalgischen Atmosphäre tragen sicherlich auch die ungewöhnlicheren "Musikinstrumente" bei, wie die Schere oder eine Dose Reis. Eigentlich wollten Jens und Sascha in einem Stück Kastagnetten benutzen, doch da keine vorhanden waren, wurde dieses Geräusch mit einer Schere nachgeahmt. Reis wurde in Dosen zum Teil mit Müsli gemischt, bis ein passender Klang entstand. Dieser "Überraschungsmoment" ist für die Musik ganz wichtig. "Wow - das klingt ja ganz interessant", dachten die zwei vor allem, als sie einen alten Koffer als Schlagzeug zweckentfremdeten. Er schlägt die Brücke zum Thema Reisen, das viel in den Texten behandelt wird und ist gleichzeitig sehr nostalgisch angehaucht, da er Jens Eltern bei ihrer Verlobung begleitete.
Die Vision, wie Musik und Texte klingen sollten, war schon lange in Jens Hinterkopf, das Produzieren wurde immer wieder aufgeschoben und dann passte einfach alles perfekt zusammen. Sascha war der Katalysator dieses Projekt endlich umzusetzen. Innerhalb von drei Wochen über ein Jahr verteilt war das Debutalbum dann schließlich entstanden.
Jens erzählt von zwei Auftritten, die er als sehr positiv in Erinnerung hat: Einmal direkt der erste Auftritt im Vorprogramm von Silent Radio, wo Jens als Bassist spielt, im Spiegelzelt. Die Kulisse hat optisch wahnsinnig gut zur Musik gepasst - der rote Samt, das Holz und all die Spiegel fingen die Atmosphäre von "auf der Durchreise" gut ein. Es war ein sehr schöner erster Auftritt, der von allen positiv aufgenommen wurde. Ein weiterer Auftritt, der in Erinnerung bleiben wird, vor allem, weil sich der Kreis des Ganzen zu schließen schien, war im März 2013 in der einRaum Galerie. Jens und seine Freundin hatten dort eine Fotoausstellung mit Bildern aus Georgien. Bei einer Reise hielten sie Ausschnitte von Wandmalereien und Strukturen, entstanden durch kaputtem Putz und abgerissenen Plakaten, fest. Diese wirkten wie eigene Kunstwerke, die eine Geschichte erzählen wollten. Das Album vom "restorchester" hatte in der einRaum Galerie bei dieser Vorstellung seine Premiere und Jens und Sascha spielten direkt vor den Fotos der Georgienreise.
Auf YouTube lässt sich ein Video zum Song "Stadt ohne Plan" finden. Der Dreh dieses Videos war eine spontane Aktion. Es wurde überlegt, was zur Musik passt und Saschas Freundin Christin, eine Künstlerin, filmte nachts während sie durch die Braunschweiger Innenstadt mit dem Auto fuhren vom Rücksitz aus die Szenerie. Anschließend schnitt Sascha die Filmsequenzen und die Musik passend zusammen. Die Atmosphäre im Video unterstützt die Musik und lenkt nicht ab. Man konzentriert sich trotz des Betrachtens eines Videos auf den Text.
Jens merkt immer wieder, dass in diesem Projekt alles zusammen passt. "Es fühlt sich richtig an.", sagt er. Es ist das, was er immer machen wollte und diese Lieder aufgenommen zu hören, ist wie ein verwirklichter Traum. Traumauftrittsorte fielen dem Musiker nicht auf Anhieb ein, denn am wichtigsten sei die entspannte und konzentrierte Atmosphäre der Leute auf dem Konzert. Passend wäre jedoch ein altes Theater. Für das geplante neue Album, was vermutlich den Namen "in vollen Zügen" tragen wird, wäre dagegen eine alte Straßenbahn in Lissabon ideal.
Wer den Liedern gerne live lauschen will, kann dies auf dem Magnifest am 6. September in Braunschweig tun. Für die ganz Ungeduldigen finden sich alle Lieder jedoch auch im Internet zum Anhören, man kann sie digital erwerben oder auch als CD im Café Riptide kaufen. Weitere Infos findet ihr auf der Homepage: www.restorchester.de
Text: Annika Schwedhelm