Maskenkunst mit Jonas Karnagel
Das Bild des Menschen ist das Hauptthema des Künstlers Jonas Karnagel. Oft bildet er den Menschen jedoch nicht direkt ab, sondern schafft Abbilder von ihm. Der gebürtige Braunschweiger studierte an der TU Braunschweig Kunstgeschichte sowie Grafikdesign an der HAWK Hildesheim. Er ist Mitglied im Bund bildender Künstler (BBK) und der Künstlergilde, ist Lehrbeauftragter für Digitale Gestaltung an der Philipps-Universität Marburg, hat seit 2011 Lehraufträge an der HBK Braunschweig und arbeitet seit 2004 als selbstständiger Künstler und Designer.
Seit fast 15 Jahren arbeitet Karnagel mit Masken aus dem Theaterbereich, die von ihm in unterschiedlicher Weise fotografiert und bearbeitet werden. Unsere Redakteurin Kerstin Lautenbach-Hsu führte ein exklusives Interview mit Jonas Karnagel und zeigt bei BS-Live eine kleine Auswahl seiner Arbeiten.
Das Interview mit Jonas Karnagel
KLH: Jonas, stell dich mal kurz selbst vor!
Ich bin 1971 in Braunschweig geboren und wurde früh durch mein familiäres Umfeld künstlerisch-gestalterisch geprägt - in erster Linie durch meinen Vater, der selbst als freier Künstler arbeitet und wie ich Mitglied im Bund Bildender Künstler ist. Seit 2000 lebe ich wieder in Braunschweig, bin verheiratet und habe drei Kinder im Alter von sieben, fünf und anderthalb Jahren.
KLH: Deine "Maskenbildnisse" sind deine persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema "Tod und Vergänglichkeit". Wie bist du zu dem Thema gekommen?
Schon als Kind interessierten mich morbide Themen. Bereits in meiner Schulzeit entstanden Bilder und Skulpturen von Schädeln, Skeletten etc. Damals war das Unheimliche und Bedrohliche ein wichtiger Attraktivitätsfaktor. Später verlagerte sich mein Interesse auf den Tod im Leben, auf das Altern und Sterben, auf das Selbstverständliche und Allgegenwärtige des Todes. Zudem interessiert mich die Möglichkeit des Erhaltens und der Wiederbelebung, was vermutlich mit meiner christlichen Erziehung zusammenhängt.
KLH: Du hast deinen Zivildienst in der Altenpflege gemacht, hat das den Anstoß zur Beschäftigung mit dem Thema geliefert?
Nein, meine damalige Arbeit in der Altenpflege war nicht der Anstoß. Im Zivildienst war für mich das Leben der Menschen und ihnen zu helfen wichtiger. Allerdings hatte ich den Wehrdienst verweigert, um nicht zum Töten ausgebildet zu werden. Insofern hatte es natürlich auch etwas mit Tod zu tun.
KLH: Steht hinter jeder Maske eine eigene Geschichte?
Ja, das beginnt bereits bei den Vorgeschichten. So wurde ein Teil der Masken, mit denen ich arbeite, für die Aufführung des Ibsen-Stückes "Gespenster" in der Berliner Volksbühne angefertigt. Beim Trocknungsprozess ging etwas schief und sie sollten entsorgt werden. Zufällig war ich gerade mit Kommilitonen wegen einer dortigen Gemeinschaftsausstellung anwesend und konnte den Maskenbildner überzeugen, mir die Masken für freie Arbeiten zu überlassen.
Andere Masken sind in Zusammenarbeit mit einer Maskenbildnerin von meinem eigenen Gesicht abgenommen. Da diese Masken immer nur die Grundlage für meine Arbeiten bilden, sind die Geschichten zu den endgültigen Arbeiten komplexer.
KLH: Wie muss man sich deine Arbeit vorstellen? Kannst du mal den Weg von der Idee bis zum fertigen Kunstwerk skizzieren?
Auf einen einzigen Weg kann man es nicht reduzieren. Die Ursprungsideen für meine Arbeiten entwickeln sich langsam beim Arbeiten an anderen Projekten, zufällig durch Anregungen von außen oder gezielt durch intensive Auseinandersetzung mit einem Thema. Die gefundenen Ideen entwickele ich konzeptionell weiter und erarbeite verschiedene Umsetzungsvarianten, von denen ich mich irgendwann auf eine oder mehrere fokussiere. Die Art der praktischen Umsetzung variiert ebenfalls stark. Es handelt sich jedoch immer um einen Wechsel zwischen destruktiver und konstruktiver Bearbeitung, zwischen Zerstörung und Reparatur. Dabei spielen verschiedenste Techniken eine Rolle: Fotografie, digitale Bildbearbeitung, Malerei, Zeichnung, Collage, Färben, Reißen, Betreten etc. Ich bezeichne meine Vorgehensweise daher als Crossover. Bis ich mit einer Arbeit zufrieden bin, vergeht viel Zeit und das Experimentieren mit verschiedenen Techniken ist wichtiger Bestandteil meiner Arbeit. Oft nehme ich auch alte Arbeiten und überarbeite sie neu, um sie meinen gewandelten Vorstellungen anzupassen.
KLH: Du beschäftigst dich jetzt seit 15 Jahren mit diesem Thema. Sagst du irgendwann, jetzt reicht es, jetzt wende ich mich einem anderen Thema zu?
Ich arbeite nicht nur an diesem einen Thema, sondern beschäftige mich in meinen Arbeiten mit Liebe, Sex, dem Menschen an sich und vielem anderen. Daher wird mir die Auseinandersetzung mit "Tod und Vergänglichkeit" nicht langweilig und ich werde sie auf jeden Fall fortführen. Nicht ganz unwesentlich ist, dass ich selbst davon betroffen bin und es eine immerwährende Relevanz für mich wie für alle Menschen hat.
KLH: Mit welchen anderen Themen befasst Du Dich noch?
Einige erwähnte ich bereits, aber es kommen noch viele hinzu, die mit den oben genannten zusammenhängen. Häufig gehe ich in meinen Arbeiten von literarischen Vorlagen aus. So habe ich eine Arbeit in Form eines Flügelaltares zu Siegfrieds Tod angefertigt, ein Diptychon zu "Schuld und Sühne", verschiedene Dichterporträts in Kombination mit deren Schriften etc. Am häufigsten habe ich dabei auf die Bibel zurückgegriffen. Altes und Neues Testament bieten mit ihrer Fülle an Gleichnissen und Geschichten ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an Anregungen.
KLH: Woher nimmst Du Deine Inspiration?
Aus dem Leben - mich inspiriert, was mich bewegt. Dazu zählen neben Menschen auch Bücher, hinter denen natürlich ebenfalls Menschen stehen.
KLH: Gibt es Personen, die dich inspirieren?
Alle Menschen, die mich emotional bewegen, inspirieren mich. Entsprechend betrifft dies vor allem Menschen meines direkten Umfelds.
KLH: Wo kann man deine Bilder aktuell sehen?
Zurzeit gibt es eine Gruppenausstellung in Bad Zwischenahn, an der ich mit vier Arbeiten teilnehme. In Braunschweig wird die Jahresausstellung des hiesigen BBK vom 20.06. bis zum 27.07.2014 im raumLabor an der Hamburger Straße zu sehen sein. Dort werde ich mit einer Arbeit vertreten sein. In beiden Fällen zeigen meine ausgestellten Arbeiten verfremdete menschliche Gesichter, die im Crossover-Verfahren erstellt und von mir auf Nessel genäht wurden. Die Arbeiten gehören zu einer Reihe von Porträts, an denen ich seit letztem Jahr arbeite. Mein Ziel ist eine möglichst große Anzahl verschiedener Köpfe/Gesichter, die in einer Ausstellung als Installation in den Raum gehängt werden und diesen unterteilen. Dafür muss ich aber noch mehr Porträts anfertigen und brauche entsprechend viele Gesichter.
KLH: Was wäre dein persönlicher Traum, wo Du Deine Maskenbildnisse gerne ausstellen würdest?
Da kann ich mir verschiedene Orte vorstellen. Einerseits böte eine Kirche das passende Umfeld, weil es um Tod und Auferstehung geht. Andererseits wäre z. B. das Staatstheater ein schöner Ort, da die Maskenvorlagen aus dem Theaterbereich stammen. Aber ich bin für alles offen und falls jemand mit einem spannenden Ort an mich herantritt, entwickele ich gerne ein auf den Ort zugeschnittenes Ausstellungskonzept.
KLH: Du hast auch ein Buch geschrieben mit dem Titel "Design mit Adobe InDesign CS5". Wie kam es denn dazu?
Es war nicht unbedingt ein Herzenswunsch von mir ein Buch über ein Gestaltungsprogramm zu schreiben. Der mitp-Verlag hatte bei mir angefragt, da ich auch digitale Gestaltung unterrichte und Schulungen in diesem Bereich mit Layout-, Grafik- und Fotobearbeitungsprogrammen durchführe. Ich dachte mir, ein Buch zu schreiben sei eine spannende Herausforderung. Als es in den Buchhandlungen stand, war es ein tolles Gefühl, aber mein nächstes Buch wird voraussichtlich Gestaltung an sich zum Thema haben.
KLH: Vielen Dank, lieber Jonas für diesen mehr als spannenden Einblick in Deine Arbeit!
Wer Lust hat, mehr von Jonas Karnagel und seinen Arbeiten zu sehen, der Künstler stellt aktuell im Rahmen der Jahresausstellung BBK Braunschweig "Intensivstation" im raumLABOR, Hamburger Straße Nr. 267 in Braunschweig einige seiner Werke aus. Am 20. Juli wird er auch in der Zeit von 14 bis 17 Uhr persönlich zu einem Künstlergespräch anwesend sein.
Ein Beitrag von Kerstin Lautenbach-Hsu für BS-Live!