Karneval in Deutschland
Helau, Alaaf und Narri Narro in alle Himmelsrichtungen
Ein fröhliches Helau und Alaaf in die Welt! Bald ist es endlich wieder so weit: die schönste Zeit des (Früh-)Jahrs bricht an! Wisst ihr schon als was ihr gehen wollt? Tatsächlich überlegen sich das in diesen Wochen viele Millionen Menschen auf der Welt. Denn von Nord bis Süd und quer über die Kontinente werden im Februar und März die traditionellen, bunten Kostümfeste und Paraden zelebriert! Dass Braunschweig mit dem viertgrößten Umzug Deutschlands ganz vorne mit dabei ist und die Rheinländer Rekordhalter in Sachen Karneval sind, wissen wir, aber wie und wo feiern eigentlich die Narren im Süden und Osten? Um das herauszufinden, haben wir uns für euch auf eine kleine Karnevals-, Fastnachts- und Faschingstour begeben.
RHEINISCHER KARNEVAL - SUPERLATIV IM WESTEN
Über die Landesgrenzen hinaus berühmt ist der Karneval der Rheinländer, allen voran der Kölner Karneval, dicht gefolgt von Mainz und Düsseldorf. Hier konzentriert sich der Karneval nicht nur auf den großen Umzug am Rosenmontag, sondern hier hat das Narrenfest die ganz Stadt mindestens eine Woche fest im Griff. Alles beginnt am 11.11. - mit dem Beginn der Fünften Jahreszeit. Dieser Zeitpunkt markiert den Start des offiziellen Karnevals; das heißt karnevalistische Amtsinhaber, Vereine und Gruppen treffen sich regelmäßig, um ihre Auftritte und Reden zu üben. Inoffiziell ist in den rheinischen Hochburgen das ganze Jahr Karneval.
Der Startschuss fällt um 11:11 Uhr an Weiberfastnacht. Plötzlich bekommt die Stadt ein anders, buntes Gesicht: hinter der Bäckertheke steht ein Clown, im Kleidungsfachgeschäft wird man von einem Tiger bedient. Zumindest in den Läden, die noch geöffnet haben. Viele Geschäfte in der Innenstadt sind über die Karnevalwoche geschlossen. Die Glastüren mit meterhohen Spanplatten abgeschirmt. In dieser Woche arbeitet Köln nicht, sondern feiert und mit Ihnen tausende Touristen aus aller Welt. Unzählige Feierwütige und Kostümierte johlen, tanzen und schmettern, unabhängig von Nationalität, Alter oder Geschlecht gemeinsam kölsche Lieder in den Kneipen und Straßen.
Aus allen Winkeln strömen die Menschen in die Innenstadt zusammen und pilgern zwischen Heumarkt, Rheinufer und Neumarkt hin und her. Und falls sich doch Jemand ins Büro getraut hat, muss er aufpassen, dass ihm nicht die Krawatte abgeschnitten wird. Weiter geht es am Freitag und Samstag mit zahlreichen Veranstaltungen. Bald jedes Café und jeder Laden lässt sich vom närrischen Rausch mitreißen (1). Der Höhepunkt ist dann mit rund 150 Wägen, 50 Kutschen, 12.000 Teilnehmern und 300.000 Tonnen Süßigkeiten ("Kamelle") Wägen Deutschlands größter Karnevalsumzug am Rosenmontag. Der Ausnahmezustand hält bis Aschermittwoch an, an dem die Reue nach dem rauschenden Fest in Form der "Nubbel-Verbrennung" (in Düsseldorf ist der "Hoppediz") zelebriert wird. Dabei wird ein selbstgebastelter Sündenbock symbolisch verbrannt, um alle Fehltritte und Ausschweifungen der letzten Woche wieder gut zu machen.
DER NORDEN - HEIMLICHER MEISTER DES KARNEVALS
Aber auch, wenn die Bräuche im Rheinland besonders laut, lang und berühmt sind, wurden sie dort nicht erfunden. Auch und vor allem in der hiesigen Region haben sie eine lange Tradition. Ersten schriftlichen Erwähnungen von 1293 nach, ist der Braunschweiger Karneval sogar älter als der Kölner Karneval.
Der Braunschweiger Schoduvel reiht sich als viertgrößter Umzug Deutschlands sogar direkt auf den vierten Platz hinter den Superlativen Köln, Mainz und Düsseldorf ein. Über die Bedeutung des Wortes wurde schon viel gerätselt und recherchiert. Wahrscheinlich bedeutet es etwa so viel wie "Lauf des Scheuch-Teufels". Von Historikern wird der "Schoduvel" auch als "schwarzvermummte Gestalt mit Hörnern und roter Zunge" beschrieben. Die Schoduvel-Umzüge als Massenspektakel vor dem Beginn der Fastenzeit sind in den Städten Braunschweig, Magdeburg, Hildesheim, Goslar, Duderstadt, Hannoversch-Münden und Göttingen von 1293 bis zum Ende des 16. Jahrhunderts belegt (2). Diese gingen stets mit satirischen, mitunter beleidigenden Aussprüche und Hetzen gegen die vor allem geistlichen Obrigkeiten einher. Heute, 700 Jahre später sind die Waffen nicht mehr gewetzt, die Zungen aber dürfen und sollen noch scharf sein. Besonders bei den Wägen der traditionellen Schoduvel-Züge werden Spitzfindigkeiten auf subtile, künstlerische Weise angebracht. Mit rund 120 Wägen, 5.000 Teilnehmern und 30 Tonnen Süßigkeiten ("Bolchen") und einer Zugstrecke von sechs Kilometern führt Braunschweig die Spitze aller Umzüge der Region an.
Entsprechend geschäftig geht es auch für die Braunschweiger Karnevalisten, insbesondere das Braunschweiger Dreigestirn aus Prinz, Bauer und Till, das ganze Jahr zu. Vom Fassanstich am 11.11. auf dem Kohlmarkt bis über Prunksitzungen und Büttenabende erstreckt sich auch in der Oker-Stadt die Karnevalssession von November bis März. Mit dem Bau der Stadthalle 1966 erreichte der Braunschweiger Karneval eine neue Größenordnung. So konnte zum ersten Mal der große, gemeinsame Büttenabend an die Öffentlichkeit treten (2). Auch im karnevalistische Tanzsport ist Braunschweig weit vorne und bei den Deutschen Meisterschaften vertreten.
Neben dem Schoduvel waren "Heischegänge" oder "Heischezüge" in Norddeutschland und bis heute noch im Elm weit verbreitet. Aufgrund der feucht-fröhlichen Auslegung durch Burschenschaften waren diese aber ebenso wie Karnevalssitzungen Obrigkeiten immer wieder ein Dorn im Auge und wurden zeitweise untersagt.
FASTNACHT IM SÜDWESTEN - URIG UND AUF DEM VORMARSCH
Sie rufen "Narri Narro" oder juchzen und "huhuhen" - die Hexen, Narren und Wilden der "schwäbisch-alemannische Fasnet" im Südwesten. Der besondere Reiz der Fastnacht liegt hier in den althergebrachten, teilweise historischen Kostümen. Das war nicht immer so, denn auch im Südwesten Deutschlands kam in der Romantik der bürgerliche, prunkvolle Karneval auf. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts jedoch starteten vor allem Handwerker wieder eine "Back to the roots"-Bewegung des Karnevals.
Die alten Masken von Hexen, Teufeln und Fabelwesen wurden wieder hervorgekramt, und zum Leben erweckt. Seitdem wird wieder die farbenprächtigen "Häs" (so werden die Kostüme der Narren genannt, die sich deutlich von den nordwestlichen Kostümen unterscheiden) in zahlreichen Städten zelebriert. Beliebte Figurentypen wie "wilde Männer" oder Tierfiguren - zum Beispiel der Villinger "Butzesel" – symbolisierten ursprünglich Gottesferne oder Lasterhaftigkeit. Eine der ältesten Darstellungen fastnächtlichen Treibens aus dem 15. Jahrhundert zeigt den Nürnberger Metzgertanz, bei dem sich Metzger gegenseitig an Wurstringen festhielten. Metzger waren als Zunft besonders von der Fastenzeit.
Auch der Brauch von Krapfen oder anderem Fettgebackenem an Fastnacht rührt daher, dass vor der sechswöchigen Fastenzeit möglichst alle Vorräte aufgebraucht werden mussten. Die Bezeichnung "schmutziger Donnerstag" für den ersten Fastnachtstag im Südwesten kommt übrigens daher, das besonders viel Fett (Schmutz) bei der Zubereitung der traditioneller Fastnachtskrapfen im Einsatz war (3). In den letzten Jahrzehnten ist eine starker Anstieg der Popularität der "schwäbisch-alemannische Fasnet" zu beobachten. Allein in den 1990gern sind rund 1.000 neue Narrenzünfte gegründet worden. Die damals 40 Zünfte in 1924 sind inzwischen auf rund 1.700 angewachsen.
FASCHING IM OSTEN - BESSER ALS DER RUF
Auch östlich der Elbe, zwischen Nordsee und Thüringen werden die närrischen Tage ausgiebiger und leidenschaftlicher begangen, als so mancher vermuten mag. Besonders zu DDR-Zeiten war die "kontrollierter Frohsinn" an Fasching als eher biedere Angelegenheit verschrien. Allerdings wurde besonders in dieser Zeit via mitunter scharfzüngiger Büttenreden Kritik am System geübt. Fakt ist aber, dass es in Thüringen bereits 1989 500 Karnevalsvereine gab. Der Landesverband Thüringen ist mit über 300 Vereinen sogar der drittgrößte Deutschlands. Als Hochburgen sind Erfurt und Wasungen zu nennen. In der kleinen Stadt Wasungen gibt sogar drei Umzüge. Und auch in Sachsen sind über 300 Vereine und Gruppen im Karneval aktiv. Der größte Umzug in Sachsen findet in Leipzig am Sonntag vor Rosenmontag statt. In Brandenburg geht es auf den Dörfern närrisch zu. Zu den großen Umzügen in Werder an der Havel oder Cottbus pilgern jährlich viele zehntausend Zuschauer. Und auch Mecklenburg-Vorpommern hat karnevalstechnisch in den letzten Jahren aufgeholt, woran eine Gruppe zugezogener Rheinländer nicht ganz unschuldig sein soll (4).
KARNEVAL BEWEGT DIE WELT
Nicht nur regional und bundesweit, sondern auch in Nachbarländern und auf anderen Kontinenten werden bunte, ausgelassene Feste gefeiert. Auf Europas Festland wäre neben dem deutschen Superlativ Köln, der traditionelle Masken-Karneval der Kulturen in Venedig, Nizzas große Blumenparade oder die Riesenpuppen-Party im spanischen Solsona als weitere Karneval-Highlights auf unserem Kontinent zu nennen (5).
Die exotischsten, erotischsten und bombastischsten Karnevalfeste der Welt finden jährlich im Februar und März im brasilianischen Rio de Janeiro, der karibischen Insel Trinidad und Tobago sowie in Santa Cruz auf Teneriffa statt. Sowohl bei dem berühmtesten Karneval der Welt in Rio, als auch auf der Karibik- und Kanaren-Insel wird bei Paradiesvogelartigen Paraden, rhythmischen Klängen und Tanzeinlagen vor allem viel nackte Haut gezeigt.
Ebenso populär aber ein wenig bedeckter geht es in den Karneval-Hochburgen New Orleans, dem bolivianischen Oruro und dem kanadischen Québec zu. Während sich am traditionellen "Mardi Gras" (fetten Dienstag) New Orleans französisches Viertel in eine komplette Partymeile verwandelt, werden in Oruro Gottheiten mit Tänzen geehrt und in der kanadischen Provinz feiern jedes Jahr über eine Millionen Teilnehmer den größten Winterkarneval der Welt im Schnee.
EIN LEBENSGEFÜHL
Egal, ob pompös oder verrückt, Karnevals-Maniac oder -Muffel, Süd oder Nord, das Wichtigste ist doch: es geht um Freude, das Miteinander und einen fröhlichen Anlass, ob mit oder ohne anschließender Fastenzeit. Vielleicht ist auch das Geheimnis dieser Zeit, dass an diesen Tagen Herkunft, Gehalt, Alter usw. keine Rolle spielen. Keiner weiß so genau, wer unter den Kitteln, Pelzen und Masken steckt! Genau das macht den Reiz aus: alle können ungezwungen miteinander Spaß haben und losgelöst von Vorurteilen und Standesdünkel miteinander feiern. Dieses positive, tolerante Lebensgefühl sollten wir versuchen auch noch ein wenig nach dem Karneval mit in den Alltag zu transportieren. In diesem Sinne: ein dreifaches Brunswiek Helau! Kölle Alaaf! Helau! Solte Alaaf, Heijo und so weiter...!
Ein Beitrag von Kathrin Rieck für BS-Live!
Quellen: