„Der letzte Sprung“ von Roland Lange
Dem Harz auf der Spur
Buchrezension „Der letzte Sprung“ von Roland Lange
Wie hängen ein bedrohtes Reitturnier und ein Autounfall zusammen? Wer hat es auf das berühmte Nörten-Hardenberger Reitturnier abgesehen? All diese Fragen muss Kommissar Behrends auf 255 Seiten aufklären, wobei der Fall, der anfangs gar nicht für die Mordkommission bestimmt schien, immer komplexer wird. Und die große Frage: Für wen kommt es zum allerletzten Sprung?
Handlung
Der Hauptcharakter Kommissar Ingo Behrends von der Northeimer Kriminalpolizei ist wieder im Einsatz und ermittelt in seinem fünften Fall. Es beginnt harmlos mit einem Autounfall, der sich jedoch schnell als Mord durch Manipulation der Autotechnik entpuppt. Behrends und sein Team beginnen zu ermitteln und befragen den Lebensgefährten des Opfers Romain Clément, der sich als ein berühmter Reitsportler herausstellte. Bei seinem seltsamen Verhalten wird der Kommissar misstrauisch und möchte gegen ihn ermitteln, wobei das BKA ihm dort einen Strich durch die Rechnung macht. Doch dann ergeben sich weitere Hinweise auf den Täter und Clément rückt in den Hintergrund. Nebenbei gewinnt Behrends Frau VIP-Tickets für das Springturnier in Nörten-Hardenberg, was dem Kommissar erst gar nicht gefällt, sich dann jedoch als Glücksfall herausstellt. Denn kurz vor Beginn des Turniers werden Tierschutzplakate mit eindeutiger Drohung aufgehängt und auf dem Gelände explodieren Molotowcocktails. Dazu kommen Anrufe und Briefe, die mit einem Anschlag auf das Turnier drohen. Es beginnt ein Wettkampf um die Zeit, ungewiss was geschehen wird und ob es gestoppt werden kann.
Buchaufbau und Charaktere
Das Buch wird durch einen Prolog eingeführt, der zehn Jahre vor der eigentlichen Geschichte spielt und mit einem großen Brand von Stallungen auf folgenreiche Auswirkungen für die Besitzer der Reitanlage schließen lässt. Doch bis diese Gegebenheit thematisiert wird, muss sich der Leser etwas gedulden, sodass viel Zeit zum Rätseln bleibt.
Das Buch ist in viele kurze Kapitel gegliedert, was besonders den Leseratten gefallen wird, die ein Buch ungerne mitten im Kapitel weglegen. Dazu kommen leicht verständliche Sätze, die den Lesefluss angenehm gestalten. Die einzelnen Kapitel haben keine Überschrift, lediglich Verweise auf den Tag der Turnierwoche wirken wie ein Countdown, der den Leser zum Höhepunkt der Story trägt. Die Buchcharaktere sind sehr menschlich geschrieben, sodass die Gespräche nicht künstlich, sondern echt und sympathisch wirken. Dazu kommen die detailreich beschriebenen Orte im bzw. am Harz, die das Geschehen noch lebendiger machen. Besonders für Ortskenner ist die Beschreibung toll, da sie der Realität entsprechen und man genau vor Augen hat, wo sich welche Szene abspielt.
Kritik
Während der Mordermittlungen wird der Zusammenhang zwischen dem Mord und dem Turnier immer deutlicher. Weitere Indizien machen den Fall komplexer und dieser entwickelt sich von Drohungen bis hin zu Anschlägen und Gefahr für viele Menschen.
Dadurch, dass die Kapitel aus unterschiedlichen Charaktersichtweisen geschrieben sind, ist der/die Leser:in dem Kommissar und seinem Team immer einen Schritt voraus. Die Hürde ist die vielen verschiedenen Erzählsprünge zu sortieren und die Zusammenhänge herauszufinden. Damit agiert der/die Leser:in ähnlich wie der Kommissar, indem die Spuren in den Kapiteln gefunden und somit Rückschlüsse auf den Täter geschlossen werden können.
Einerseits erhält der/die Leser:in dadurch einen fokussierten Einblick in Ermittlungsarbeiten, andererseits wird die Charakterzuordnung zu den verschiedenen Erzählsträngen erschwert, wenn man das Buch nicht in eins durchliest. Zudem machen es die vielen unterschiedlichen Erzählungen schwierig die Wichtigkeit dieser einzustufen, am Ende setzten sich die Teile aber zu einem Ganzen zusammen. Obwohl lange auf den letzten Turniertag hin gearbeitet wird, ist das Ende doch sehr abrupt und die Konflikte klären sich teilweise selbst auf. Die vielen Erzählstränge führen zusammen und der Fall wird erfolgreich gelöst. Besonders schön ist, dass das Buch mit einem kleinen Schmunzler endet.
Wer schonmal beim Reitturnier in Nörten-Hardenberg war oder das Buch aufgrund dessen lesen möchte, wird leider etwas enttäuscht. Obwohl ein Pferd das Buchcover ziert, findet weder der Ablauf oder die Stimmung des Burgturniers noch alles rund um die Pferde viel Beachtung. Lediglich die Burg im Hintergrund dient als Spielort des Buches.
Fazit
Die Handlung nimmt sehr schnell an Fahrt und Komplexität auf, insbesondere, da der/die Leser:in dem Team von der Kripo mit Informationen voraus ist. Durch diese Entwicklung der Erzählung wird der Fall von unterschiedlichen Sichtweisen beleuchtet, was mehr Details erlaubt und Spannung aufbaut. Dazu kommen Kapitel zum Privatleben von Behrends, welchen den Kommissar noch sympathischer machen und durch die reale Darstellung einer Ehe Nähe zu ihm suggeriert wird. Die Verflechtung zwischen seinem Privatleben, dem Fall und der Vergangenheit sind durchaus gelungen, führen jedoch ab und zu zu Verwirrungen, da eine Einordnung der Erzählstränge der unterschiedlichen Charaktere erschwert wird. Obwohl die Handlung relativ schnell in eine bestimmte Richtung hindeutet, ist das Ende kaum vorhersehbar und überrumpelt den Leser an bestimmten Stellen. Insgesamt ist der Harzkrimi eine schöne Lektüre, die sich gut lesen lässt und keine blutigen Szenen beschreibt. Für Krimifanatiker könnte hier etwas Langeweile entstehen, welche jedoch durch die komplexe Handlung und das intensive Mitdenken aufgehoben wird. Besonders ist, dass die Orte des Harzes toll und real beschrieben sind.
Das Buch nimmt den Lesenden mit auf Spurensuche und ist auf jeden Fall wert gelesen zu werden. Wir sind gespannt, wo Kriminalkommissar Behrends als nächstes ermitteln wird!