Im Gespräch mit Gerhard Baller
Gerhard Baller ist Karnevalist mit Leib und Seele und spätestens seit der Absage des Schoduvels kennt nicht nur Braunschweig, sondern die ganze Welt, den ehemaligen Vizepräsidenten der Hochschule für Bildende Künste (HBK). Seit 2012 ist Gerhard Baller im Ruhestand und widmet sich seitdem als Zugmarschall mit vollem Herzen dem Braunschweiger Karneval. Wir haben den bevorstehenden Schoduvel 2016 zum Anlass genommen, um mit ihm über die Ereignisse des letzten Jahres und der daraus resultierenden Folgen zu sprechen.
Herr Baller, die Polizei hatte im vergangenen Jahr konkrete Hinweise auf einen Terroranschlag, der die Absage des Schoduvels zur Folge hatte. Doch keiner dieser Hinweise hat zu greifbaren Ergebnissen geführt: es gab kein Bekennerschreiben, es wurde keine Bombe gefunden, es wurde kein Täter ermittelt. Im Mai sind die Ermittlungen eingestellt worden. Wie denken Sie jetzt, ein Jahr später, über die Absage des Umzugs? War es die richtige Entscheidung?
Ja, es war eindeutig die richtige Entscheidung. Die Informationen stammten nicht von einem anonymen Anrufer, sondern es war ein Informant des Verfassungsschutzes, der sich im Kreis der Salafisten bewegt. Er hat uns sehr ernstzunehmende Informationen geliefert. Wir konnten zu dem Zeitpunkt nicht anders als mit einer Absage handeln, weil die Informationen, die er bereits vorher geliefert hatte, alle zutreffend waren. Dadurch, dass wir den Zug absagt haben, waren natürlich aber auch keine Spuren mehr zu finden. Aber das zeigt andererseits natürlich auch, dass wir alle sehr verantwortungsvoll mit der Situation umgegangen sind: sowohl die Polizei, als auch die Stadt und der Oberbürgermeister. Wir haben die Entscheidung der Absage gemeinsam getragen.
Haben Sie persönlich Angst, dass sich die Ereignisse wiederholen und es in diesem Jahr wieder zu einer Absage kommen könnte?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin voller Optimismus und ich werde auch massiv von sämtlichen Einrichtungen der Stadt, der Polizei und der Feuerwehr unterstützt. Wir stehen alle sehr intensiv im Gespräch und werden alles Menschenmögliche tun, damit der Zug stattfindet.
Viele Braunschweigerinnen und Braunschweiger sind jetzt natürlich etwas verunsichert, ob sie in diesem Jahr zum Umzug in die Innenstadt kommen. Sicherlich wird man über ein neues Sicherheitskonzept nachgedacht haben. Können Sie unsere Leser in dieser Hinsicht beruhigen?
Ja, wir haben ein sehr umfangreiches Sicherheitskonzept erarbeitet und wir werden uns auf alle möglichen Störungen einstellen. Es gibt zwar die allgemeine "abstrakte Gefahr", aber es wird natürlich im Vorfeld auch viel recherchiert und so können wir sagen: im Moment liegen keine konkreten Hinweise auf eine Gefährdung vor.
Welche finanziellen Konsequenzen hatte die Absage des Schoduvels?
Wir sind dank der Zugeständnisse der vielen Sponsoren glimpflich aus der Sache herausgekommen. Keiner wollte sein Sponsoring zurückziehen, das haben alle sofort am nächsten Tag bekanntgegeben. Alle Sponsoren haben akzeptiert, dass aufgrund höherer Gewalt, keine Rückabwicklung der Verträge stattfindet. Es haben einige Beteiligte leider erhebliche Einbußen erlitten, wie zum Beispiel diejenigen, die frisch zubereitete Bratwürste vorgehalten haben und diese nicht mehr einfrieren konnten. Der Großteil der Sponsoren ist in diesem Jahr zum Glück wieder dabei, aber es hat natürlich auch Absagen gegeben. Das heißt im Klartext: wir spüren die Spätfolgen der Absage im Augenblick ganz stark.
Sie möchten ja auch mit dem Sympathiebändchen die Menschen ermuntern, zum Braunschweiger Karneval zu stehen. Bislang lag der Preis bei 2 Euro, in diesem Jahr kostet es 5 Euro. Warum dieser Preisanstieg und was bekommt man dafür?
Das Sympathiebändchen gibt nicht nur die Gelegenheit, sich zum Braunschweiger Karneval zu bekennen, sondern es ist gleichzeitig ein Fahrschein für die ganze Region. Wir haben mehr als 40 Verkehrsunternehmen in der Region und man kann mit dem Bändchen zum Beispiel von Wolfsburg nach Braunschweig und zurück fahren. Außerdem gibt es kostenlos eine Flasche Prinzensud oder ein Malzbier bei "Hol ab" und man bekommt einen Berliner von der Bäckerei Milkau. Und als Sahnehäubchen ist noch der Eintritt zur Zugparty in der Stadthalle frei. Normalerweise würde er 8 Euro kosten.
In diesem Jahr findet der Umzug unter dem Motto "Jetzt erst recht" statt. Das lässt vermuten, dass das Thema "Terror" im diesjährigen Karnevalszug aufgegriffen wird!?
Ja, wir haben mehrere Wagen zu diesem Thema. Ein Wagen trägt das Motto "Terror trifft uns alle", dann gibt es einen Wagen mit orientalischer Ornamentik auf dem eine bunte muslimische Gruppierung mitfahren wird. Das sind zum Beispiel Jesiden, Sunniten und Schiiten. Im Nahen Osten führen die unterschiedlichen Völker gegeneinander Krieg und wir wollen nun die Botschaft transportieren, dass es auch anders geht, dass wir alle gemeinsam miteinander leben und feiern können. Und dann gibt es noch den Wagen mit dem Titel "Fünf Freunde". Dahinter verbergen sich ein Türke, ein Pole, ein Vietnamese, ein Deutscher und ein junger Mann von der Elfenbeinküste, die alle zusammen zur Schule gegangen sind, jetzt Abitur gemacht haben, und die als fünf Freunde auch immer zusammen unterwegs sind. DAS nennen wir gelungene Integration in Deutschland.
Der Landesverband der Muslime hatte gleich nach der Absage des Umzugs seine Teilnahme am diesjährigen Umzug angekündigt. Auch Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirchen sind erstmalig im Zug dabei. Welches Zeichen möchte man damit setzen?
Wir wollen zeigen, dass wir uns als Karnevalisten mitten in der Gesellschaft befinden und wir versuchen durch unsere Ideale, die wir haben, auch die unterschiedlichen Religionen miteinander zu verbinden. Auf meinem Wagen werden daher der Bischof von Hildesheim, der Bischof der Landeskirche, ein Vertreter vom Zentralrat der Juden in Niedersachsen und der Sprecher der Muslime mitfahren.
Wenn Sie sich darüber hinaus einmal unseren Karnevalsorden ansehen, fällt Ihnen sofort die Zahl 11 auf. Eine der Herleitungen der "ELF" stammt aus dem Französischen und setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Ideale der Französischen Revolution zusammen: Égalité, Liberté, Fraternité Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit. Und genau DAS sind auch die Ideale des Karnevals. Wir bauen während unserer Session sozusagen eine Parallelgesellschaft auf, bei der wir nicht nur zeigen, dass alle Menschen gleich sind, sondern wir stellen sogar unsere Gesellschaftsordnung auf den Kopf. Also das, was auf dem Orden zu sehen ist, wird von uns auch gelebt. Wir wollen zeigen, dass wir nicht verbittert sind und dass wir keinen Hass erzeugen möchten oder gar Gewalt predigen, sondern genau das Gegenteil ist der Fall: Wir wollen zeigen, dass Integration gelingen kann.
Herr Baller, wir möchten uns für dieses schöne Schlusswort bedanken! Und wir hoffen, ebenso wie unsere Leser, dass in diesem Jahr wieder ein fröhliches und unbeschwertes "Brunswiek Helau" in den Braunschweiger Straßen zu hören sein wird.
Interview & Fotos: Kerstin Lautenbach-Hsu