Kostenexplosionen und Lieferkettenprobleme
Schwere Belastung für die Regionale Wirtschaft
Nach der immer noch schwelenden Coronapandemie stellen nun die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine die Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg vor enorme Herausforderungen. Gestörte Lieferketten sorgen für einen sich weiter verschärfenden Mangel sowie erhebliche Preissteigerungen bei Einsatzmaterialien und Rohstoffen. Vor allem die Kostenexplosion für Energie macht der regionalen Wirtschaft schwer zu schaffen. Inflation, steigende Zinsen sowie Unsicherheiten über den weiteren Kriegs- und Pandemieverlauf belasten das Konsum- und das Investitionsklima. All dies ergibt sich aus dem gemeinsamen Konjunkturbericht der IHK Braunschweig und der IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) für das zweite Quartal 2022.
Demnach sinkt der IHK-Konjunkturklimaindikator, der sowohl die aktuelle geschäftliche Lage der Unternehmen als auch ihre Geschäftserwartungen abbildet, nun bereits zum vierten Mal in Folge und fällt um 9 Punkte auf einen aktuellen Wert von 86 ab. Niedriger hatte er in der letzten Dekade lediglich im tiefsten Tal der Coronakrise gelegen. Von der aktuellen Misere kann sich dabei keiner der befragten Wirtschaftsbereiche frei machen. Am härtesten trifft es wiederum den Einzelhandel, dessen sektoraler Konjunkturklimaindikator erneut um 15 Punkte nachgibt, so dass er nur noch einen außerordentlich niedrigen Stand von 45 erreicht. Herbe Verluste müssen auch die Dienstleister einstecken; hier verzeichnet der Indikator ein Minus von 26 Punkten und verringert sich auf einen Wert von 89. Für den Großhandel wird im Sommer ein Indikatorstand von 91 registriert, 17 Punkte weniger als im Frühjahr. Und auch der branchenbezogene Konjunkturklimaindikator für die Industrie, der als einziger einige Punkte gutmachen kann, verbleibt mit 97 Punkten auf recht mäßigem Niveau.
Ursächlich für den sommerlichen Niedergang des regionalen Konjunkturklimas sind zum einen die rückläufigen Beurteilungen der Unternehmen hinsichtlich ihrer aktuellen Geschäftslage und zum anderen die schwindenden Aussichten auf Besserung in den kommenden Monaten. Mit ihrer geschäftlichen Lage zeigt sich die heimische Wirtschaft immerhin noch mehrheitlich zufrieden. So beurteilen 31 Prozent der Unternehmen die eigene Situation derzeit als gut und knapp die Hälfte bezeichnet sie als zufriedenstellend. Jedes fünfte Unternehmen vermeldet dagegen eine schlechte Geschäftslage. Festzuhalten ist, dass diese Relationen im Vorquartal noch erkennbar günstiger ausgefallen waren. Die Geschäftserwartungen der regionalen Wirtschaft waren bereits im Frühjahr im Kontext des Ukraine-Krieges stark eingebrochen. Zum Sommer hin haben sie sich nun nochmals verschlechtert. Nicht einmal mehr jedes zehnte Unternehmen rechnet mit besseren Geschäften – dagegen befürchten 42 Prozent binnen Jahresfrist teilweise erhebliche geschäftliche Einbußen.
Die trübe Stimmung der regionalen Wirtschaft steht dabei in klarem Zusammenhang mit den derzeitigen kriegs- und pandemiebedingten Lieferengpässen und Preisschüben, die für weite Teile der regionalen Wirtschaft eine gewaltige Bürde darstellen und die Produktionskosten mitunter massiv erhöhen. So klagt der Großteil der befragten Unternehmen über längere Wartezeiten und höhere Einkaufspreise für Rohstoffe und Vorprodukte. Knapp die Hälfte vermeldet einen merklich gestiegenen Planungsaufwand für die Beschaffung von Einsatzmaterialien. Jeder vierte Betrieb kann bestehende Aufträge nicht abarbeiten und jeder zehnte Betrieb muss seine Produktion reduzieren oder gar stoppen. Insgesamt bezeichnen mehr als 80 Prozent der befragten Unternehmen die derzeitigen Energie- und Rohstoffpreise als ein gravierendes Risiko für ihre weitere Geschäftsentwicklung.
„Nicht nur die energieintensiven Unternehmen sind angesichts der kritischen Energie- und speziell der Gasversorgungslage in allergrößter Sorge, sondern alle Branchen sind betroffen“ erklärt hierzu Dr. Florian Löbermann, Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig. „Dort, wo es möglich ist, bereiten sich die Betriebe wegen des drohenden Gasmangels mit Hochdruck auf den Ersatz von Erdgas in ihren Feuerungs- und Produktionsanlagen vor. Allerdings stoßen sie dabei auf Umweltbehörden, die auf ihre geringen genehmigungsrechtlichen Spielräume hinweisen. Unflexible umweltrechtliche Vorgaben verhindern so eine kurzfristige Umstellung der Anlagen auf andere Brennstoffe.“ Um einen Gasnotstand zu verhindern, müsse die Politik schnellstmöglich rechtssichere Ausnahmeregelungen beschließen, die einen raschen Fuel-Switch ermöglichen. Auch mit Blick auf die erneuerbaren Energien müssen hinderliche Grenzwerte und Vorgaben hinterfragt werden, um eine zügige Nutzung sicherzustellen. „Die Situation ist ernst, daher braucht es zur Bewältigung der aktuellen Krise schnell umsetzbare, pragmatische Lösungen und keine Vorschriften, die hilfreiche Aktivitäten gerade jetzt noch erschweren oder sogar verhindern“, so Löbermanns Fazit.
Auch Michael Zeinert, Hauptgeschäftsführer der IHK Lüneburg-Wolfsburg, sieht energiepolitischen Handlungsbedarf: „Bereits vor der Krise haben unsere Mittelständler aufgrund staatlicher Zusatzlasten die höchsten Preise für Energie in ganz Europa gezahlt. Nachdem sich die Lage zuletzt extrem zugespitzt hat, steht nicht weniger als die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsraumes auf dem Spiel. Wichtig ist, nun schnell zu handeln. Wir brauchen mehr Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien und müssen zur Überwindung der Versorgungskrise auf jeden verfügbaren Energieträger setzen.“ Dabei sei keine Zeit für energiepolitische Grundsatzdebatten. Es gelte, so viele Kilowattstunden wie möglich aus eigenen Ressourcen zu mobilisieren und so viele Kraftwerke wie technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll am Netz zu halten, sagt Zeinert. „Konkret fordern wir, den Einsatz von Kernkraft und Kohle – für eine vorübergehende Weiternutzung – zu verlängern und heimische Ressourcen wie Erdgas und Geothermie stärker zu nutzen.“
Den vollständigen Konjunkturbericht mit weiteren Daten, Grafiken und Erläuterungen finden Sie auf unserer Homepage unter https://www.ihk.de/braunschweig/konjunktur.
Quelle: PM 15.07.2022