"Resümee 2009"
Tja, liebe Leser. Das Jahr 2009 ist Vergangenheit, der Urlaub vorbei, der Stress des Alltags hat uns wieder eingeholt und BS-Live schreit förmlich nach einem neuen Kolumnenbeitrag, um seine Leser wieder einmal tief in die Abgründe des Wahnsinn gleiten zu lassen. Was liegt da näher, als ein Resümee für das vergangene Jahr zu ziehen?
Es war ein aufregendes Jahr für jeden von uns. Die Wirtschaftskrise hat zugeschlagen, die Angst vor einem totalen Zusammenbruch saß in unserem Nacken und obwohl sich die eigentlichen Verursacher durch milliardenschwere Hilfspakete bereits wieder einigermaßen erholt haben und erneut russisches Roulette spielen, bleibt die Verunsicherung der Bevölkerung bestehen.
Doch fast so, als hätte eine höhere Instanz bemerkt, dass man mit einer Wirtschaftskrise nur die Menschen ängstigen kann, die über Ersparnisse oder Aktienpakete verfügen, überrollte die Schweinegrippe diejenigen, die bislang noch ruhig schlafen konnten. Impfungen wurden von unserer Regierung dringend empfohlen und als sich gegen Ende des Jahres heraus stellte, dass der Virus im großen und ganzen gewisse Ähnlichkeit mit "Deutschland sucht den Superstar" hatte, sprich: dass er ein totaler Flop war, versuchen uns die Meteorologen die Aussicht auf ruhige Feiertage mit der Aussicht auf Blizzards und Schneeverwehungen zu verderben.
Da auch diese Prophezeiung nur bedingt eintraf, hat sich diese höhere Instanz wohl überlegt, dass es sinnvoller wäre, sich individuelle Katastrophen für die Menschen auszudenken.
Meine Katastrophe begann mit einem Handy.
Obwohl ich eigentlich nicht so der Technikfreak bin, der jeden neuen Schnickschnack haben muss, wurde ich an Weihnachten auf unerwartete Weise Eigentümer eines Samsung Corby.
Im Gegensatz zu meinem alten Handy, hat das Teil ein gigantisches Display mit Touchscreen, das heißt, es gibt keine Tastatur mehr, sondern diese wird bei Bedarf auf dem Display eingeblendet. Soviel zur Vorgeschichte.
Nachdem die Geschenke an Heilig Abend unter das Volk geworfen worden waren, stapfte ich also nach Hause und saß dort allein.
"Armer Kerl", werden sich jetzt einige von Euch denken. "Muss Weihnachten ganz alleine verbringen."
Aber hey, kein Problem. Schließlich hatte ich ja mein neues Handy. Das Problem ist allerdings, dass Weihnachten, speziell die Feiertage, die denkbar ungünstigste Zeit ist, um durch die Gegend zu telefonieren oder zu simmsen. Es musste also etwas anderes her: Genau: Mobiles Internet!
Auch wenn Internet über DSL wesentlich schneller ist und man darüber hinaus auf dem Monitor, im Gegensatz zum Display eines Handys, die Seiten auch lesen kann: Surfen mit dem Handy ist nun mal sexy. Und sexy will ja jeder von uns sein. Ich schließe mich da nicht aus.
Meine nächste Aktion war dann, die Hotline meines Mobilfunkbetreibers anzurufen.
"Wählen sie die Eins für persönliche Kundenberatung. Haben sie technische Probleme, wählen sie bitte die Zwei..."
Ja, lustig. Und wie soll das gehen?
Sobald man mit dem Handy telefoniert, wird nämlich das Display gesperrt, so dass man die Tastatur nicht einblenden kann. Also doch über Festnetz anrufen. Was mich das Ganze nun kostet, weiß ich noch nicht. Laut Webseite des Betreibers wird pro Minute zwischen 0,00 EUR und 2,36 EUR berechnet. Bei einer Gesprächsdauer von fünfzehn Minuten flattert mir also unter Umständen eine Rechnung über knapp fünfunddreißig Euro ins Haus.
Nachdem meine Datenflatrate bereits am nächsten morgen freigeschaltet worden war, musste ich leider feststellen, dass mir das recht wenig nutzt. Der interne Email-Client des Handys funktioniert nur mit Google, der RSS-Reader ist unkomfortable wie die Sitze in den Regionalbahnen der Deutschen Bahn und überhaupt: Was nutzt ein Handy, wenn man es nicht per Bluetooth mit dem PC verbinden kann?
Einen alten USB-Stick zur Datenübertagung hatte ich glücklicherweise noch hier rum fliegen. Allerdings erinnerte er an ein Haushaltsgerät von AEG. Auspacken Einschalten Geht nicht. So auch mein Bluetooth-Stick.
Nach zahlreichen Installationsorgien hatte ich mein Betriebssystem dann so zerschossen, dass nur noch eine komplette Neuinstallation übrig blieb. Da ich ohnehin schon dabei war, bot sich natürlich die Gelegenheit, gleich auf die neuste Ubuntu-Version umzusteigen.
Zwei Tage später war mein Rechner dann wieder eingerichtet und die Daten wieder aufgespielt. Was weiterhin nicht funktionierte, war dieser dämliche Bluetooth-Stick, was aber nicht großartig ins Gewicht fiel, da ich die Lust, mit dem Handy zu surfen, mittlerweile ohnehin ein wenig verloren hatte.
Stattdessen nutzte ich also wieder meinen PC, jetzt mit dem neusten Betriebssystem ausgerüstet.
Dummerweise landete ich dabei auf einer Seite, auf der ein Hobby-Handwerker ein Projekt zum Bau eines Sekretärs aus dem 19. Jahrhundert beschrieb.
Während die meisten Männer wohl eher bei Bildern von Brüste und anderer weiblicher Geschlechtsmerkmale verharren, bin ich jemand, der sich von solchen Projekten leider viel zu oft euphorisieren lässt und nein: ich bin nicht schwul.
Ich glaube, ich habe keine zwei Stunden darüber nachgedacht, da war für mich klar, dass ich auch so einen Sekretär haben möchte. Neues Handy, neues Betriebssystem auf dem Rechner das ganze wirkt natürlich nur auf einem neuen "alten" Schreibtisch.
Die Geschäfte hatten, aufgrund meiner langwierigen Installationen, bereits ihren Betrieb wieder aufgenommen, so dass mich mein Weg ins Bauhaus lenkte. Holz, Schrauben, Farbe und ...
... ja, dumm. Wie kann man denn eine Falz in einen Holzbalken fräsen? Mit den Werkzeugen, die ich zu Hause habe, wohl kaum.
Die Verkäufer des Bauhauses waren sehr nett und haben mir erklärt, dass ich mein Weihnachtsgeld unbedingt für eine Oberfräse ausgeben müsste. Normalerweise lasse ich mich von Werbung und Kundenberatern zwar nicht beeinflussen, aber in diesem Fall war das etwas anderes. Mir ging es mit diesem Sekretär wie einem Junkie, der den nächsten Schuss nicht mehr erwarten kann.
Am Ende stand ich also mit vierzig Holzbalken, zehn Sperrholzplatten, Schrauben, Farbe und der neuen Oberfräse in meinem Arbeitszimmer und begann mein Werk. Vorsichtig natürlich, damit ich nicht das ganze Zimmer verschmutze.
Doch jeder, der mal mit einer Oberfräse gearbeitet hat, weiß, dass sich diese Geräte einen feuchten Kehricht um die Jungfräulichkeit eines Arbeits- und Bibliothekszimmer kümmern.
Nachdem ich fast vier Stunden am Stück gefräst hatte, blieb mir nichts anderes übrig, als meine fast 200 Bücher aus den Regalen zu räumen, ordentlich abzustauben und temporär neben dem Bett im Schlafzimmer zu stapeln. Der PC auf dem Schreibtisch landete erst einmal auf dem Boden der Küche. Der Laptop steht nun im Wohnzimmer, das Arbeitszimmer ähnelt eher einer Werkstatt, was letztendlich dazu führte, dass das ganze Sägemehl nicht nur auf diesen Raum beschränkt blieb, sondern mittlerweile in der kompletten Wohnung verteilt ist. Meine Meerschweinchen freuen sich.
Klar, für so etwas gibt es einen Staubsauger. Und wieder AEG: Auspacken, einschalten, (g)explodiert.
Es gab einen Knall, die Sicherung flog raus und nachdem ich diese wieder eingeschaltet hatte, verweigerte der Staubsauger hartnäckig seinen Dienst.
Mittlerweile sieht meine komplette Wohnung aus wie die eine Fabrikhalle. Einen neuen Staubsauger kann ich mir nicht leisten, da ich das ganze Geld für Oberfräse, Fräsköpfe, Farben, Gehrungssäge, Standbohrmaschine und Ähnliches ausgegeben habe.
Wenn mir also noch eine einzige Person erzählt, dass 2009 wegen dieser lächerlichen Schweinegrippe, der kleinen Wirtschaftskatastrophen und den Schneeverwehungen ein aufregendes und erschreckendes Jahr war, dann werde ich denjenigen mal zu einem Kaffee auf meiner Baustelle einladen, damit er sieht, dass ich hier eine ganz andere Problematik habe.
Andreas Altwein (kontakt@andreas-altwein.de)