"Alles Blog, oder was?"
Jeder Jung- und Erstautor eines Romans kennt die Situation: Da hat man monatelang an seinem Manuskript geschrieben, gefeilt, gebohrt und war schon kurz davor, das ganze Projekt umzutaufen in "Bedrucktes Toilettenpapier zu 80g/m2", doch zum Schluss prangen tatsächlich die Worte "E N D E" auf der letzten Seite. Voller Stolz wird eine Leseprobe, zusammen mit einem Exposé und einem Anschreiben in eine Versandtasche gesteckt, das Ganze an zehn oder zwanzig Verlage geschickt, und dann passiert lange Zeit gar nichts.
Erst nach Monaten der Spannung flattern die Absagen in den Briefkasten: "Passt nicht in unser Verlagsprogramm" und "Wir sind der Meinung, dass Literatur dieser Gattung lediglich eine begrenzte Zukunft hat", sind noch die positiv zu nennenden Formulierungen.
Ja, als Autor hat man es nicht leicht, denn allzu oft fühlt man sich als Spielball der Verlage, die offenbar nichts Besseres zu tun haben, als die Weltliteratur, die selbst Shakespeare in den Schatten stellt, zu dissen.
Dabei sollte selbst dem realitätsfremdesten Autor klar sein, dass Verlage keine Wohlfahrtsinstitute sind, sondern Wirtschaftsunternehmen, deren Interesse darin liegt, Texte zu verlegen, die vom Publikum verlangt werden und nicht solche, die Goethe Konkurrenz machen. Denn ganz ehrlich: Wer von uns hat tatsächlich "Faust" gelesen, ohne in der Schule dazu gezwungen worden zu sein?
Das Risiko, dass ein verlegtes Buch ein Flop wird, sinkt in einem nicht näher bestimmten Verhältnis zur Bekanntheit des Autors.
Offenbar gehen viele Schriftsteller das Ganze von der falschen Seite aus an. Die Regel lautet: Erst einen Namen machen und dann ein Buch schreiben und es einem großen Publikumsverlag anbieten.
Wie in einem meiner letzten Kolumnenbeiträge beschrieben, kann man sich zwar durchaus einen Namen machen, in dem man nur genügend öffentliche Skandale veranstaltet - für einen Autor macht es aber mehr Sinn, eigene oder fremde Texte unter eigenem Namen in lokalen Magazinen zu veröffentlichen.
Beispielsweise stellt eine Kolumne in einem Stadtmagazin eine gute Möglichkeit dar, um auf sich aufmerksam zu machen. All diejenigen, die sich schon immer gefragt haben, warum der Altwein in unregelmäßigen Abständen Beiträge für BS-Live verfasst, der hat nun endlich die Antwort darauf.
Aber auch Kolumnen haben einen Nachteil, denn sie unterliegen, ebenso wie Buchveröffentlichungen, einer gewissen Qualitätskontrolle, und zwar bezüglich des Inhalts als auch der Rechtschreibung.
In Bezug auf Veröffentlichungen, die den Zweck verfolgen, den eigenen Bekanntheitsgrad zu erhöhen, zählt neben der Qualität auch durchaus die Quantität. Beides sollte in einer Kolumne in einem angemessenem Verhältnis zueinander stehen, wobei die Anzahl der Beiträge ein sehr objektives Kriterium, der Inhalt aber eher subjektiv ist.
Auch diese Situation ist vielen Autoren bekannt. Nachdem man eine Kurzgeschichte geschrieben und in einer Internet-Plattform veröffentlicht hat, hagelt es vernichtende Kommentare von Kritikern, die der Meinung sind, der Inhalt sei zu vulgär, zu langatmig oder eben einfach nur scheiße.
Was aber jeder Autor ebenfalls weiß: Kein Kritiker hat auch nur den Hauch einer Ahnung von Literatur. Und schon gar nicht von der eigenen.
Aus genau diesem Grund bevorzugen einige viel versprechende Autoren einen sogenannten Blog, um sich einen Namen zu machen.
Für all diejenigen, die es nicht wissen, weil sie ihre Nase nur in "Romeo und Julia" oder "Die Verbrecher aus verlorener Ehre" stecken: Bei einem Blog handelt es sich um ein im World Wide Web öffentlich geführtes Tagebuch, dessen Inhalt sich nicht ausschließlich auf persönliche Erlebnisse des Autors bezieht, sondern auch auf aktuelles Tagesgeschehen, Politik, Kunst und vor allen Dingen Sex (womit wir wieder bei meinem Lieblingsthema wären).
Ein Blog hat den Vorteil, dass er (oder es: die Rechtschreibung ist sich da nicht so ganz einig) keiner redaktionellen Kontrolle unterliegt. Sozusagen anarchistisches Schreiben für Jedermann.
Technisch gesehen ist das Betreiben eines Blogs ein Kinderspiel. Es gibt zahlreiche Anbieter, welche die entsprechende Software und den Speicherplatz kostenlos zur Verfügung stellen. Die Bedienoberfläche ist in den meisten Fällen so intuitiv, dass man auch als technischer Laie in der Lage ist, eigene Beiträge zu verfassen. Aber Vorsicht: Bevor man sich hinsetzt und sich im Veröffentlichen von Texten versucht, sollte man ein paar Überlegungen anstellen, um typische Fallstricke zu vermeiden, die auf ahnungslose Webautoren warten.
Das betrifft zunächst einmal den Inhalt. Obwohl es, wie schon erwähnt, keinerlei redaktionelle Kontrollen oder Einschränkungen gibt, sollte man sich für ein durchgängiges Thema entscheiden und dieses auch konsequent verfolgen. Leser sind oft ziemlich einfach gestrickt, so dass sie leicht durcheinander kommen, wenn man an einem Tag über die Oma im Altersheim schreibt und an einem anderen Tag über die Wahlen des neuen Bundespräsidenten.
Die Grundregel lautet: Ein Thema pro Blog! Will man mehrere Themen besprechen, was zu empfehlen ist, da so der eigene Bekanntheitsgrad steigt, sollte man zusätzliche Blogs anlegen. Kostet ja nichts.
Der Name des Autors sollte deutlich erkennbar sein, denn was nutzt es, wenn man die tollsten Beiträge verfasst, aber keiner weiß, von wem sie kommen? Ein klein wenig Narzissmus gehört eben dazu. Vorsichtig sollte man aber walten lassen, wenn das Thema des Blog in den Bereich Sex, radikale politische Ansichten (die ich persönlich ablehne) oder Selbstsatire fällt. In diesem Fall ist es sinnvoller, sich ein Pseudonym zuzulegen und somit das eigene Privatleben zu schützen.
Ein weiterer, sehr wichtiger Punkt sind die Kritiker. Wie Autoren wissen, handelt es sich dabei um Menschen, deren liebste Freizeitbeschäftigung darin besteht, jegliche Texte zu zerreißen, die ihnen zwischen die Finger kommen. Kritiker durch Androhung von Gewalt ruhig zu stellen, hat sich aus eigener Erfahrung als wenig erfolgreich erwiesen. Erpressung ist eine gute Alternative, allerdings bedarf es dazu Fotos oder anderer Beweismaterialien, die sich wiederum prima als Bloginhalte eignen. Einmal veröffentlicht verlieren diese allerdings ihren Wert als Erpressungematerial.
Die einfachste Möglichkeit, Kritiker kalt ruhig zu stellen ist es, die Kommentarfunktion der Blogsoftware auszuschalten. Allerdings kann man sich dann nicht mehr rühmen, ein viel und gern gelesener Blogger zu sein.
Die ideale Lösung benötigt leider einen relativ hohen Arbeitsaufwand. Sie besteht darin, Kommentare erst nach manueller Kontrolle frei zu schalten. Das bedeutet im Klartext: Täglich Kommentare lesen und die Mehrzahl, also die Diss-Kommentare, ins Nirvana schicken und nur die positiven Kritiken veröffentlichen. In den ersten sieben Tagen, nachdem der Blogbeitrag veröffentlicht wurde, sollten etwa drei bis fünf positive Kommentare erscheinen.
Falls nach dem Löschen der bösartigen Kritiken nichts mehr übrig bleibt, hilft nur Eines: drei Fake-Accounts anlegen und eigene Kommentare verfassen. Bewährt haben sich kurze und prägnante Kommentare wie "Wow. Selten sowas geiles gelesen" oder "Äußerst lebendig und lebhaft. Wir erwarten mit Spannung Ihr Manuskript zur Veröffentlichung. Mit freundlichen Grüßen Gaby Weltbekannt, Lektorat, xxx Verlag".
Mit einem exzessiv geführten Blog steht der eigenen Bekanntheit dann nichts mehr im Wege. Und dann klappt es irgendwann auch mit der Romanveröffentlichung.
Andreas Altwein (kontakt@andreas-altwein.de)