Nordseeluft und nasser Hund
Entspannung ist eine reine Auslegungssache - dies ist wohl besonders Familien mit kleinen Kindern oder aber auch vielen Hundebesitzern bewusst. Mit Hundebesitzern meine ich weniger diejenigen, die einen gut erzogenen Hund daheim haben, der immer hört und langsam und gemütlich durch die Gegend spaziert, sondern eher die Liebhaber von richtigen Charaktertieren. Ein Hund muss Ecken und Kanten haben, zumindest für mich, und dies wurde mir besonders in meinem angekündigten Urlaub bewusst. Wir fuhren wie seit Jahren mit Kind und Kegel nach Dänemark an die Nordseeküste. Die zwei Kegel haben vier Beine, Schlappohren und riechen, wenn sie aus der Nordsee kommen nach nassem Hund: Mein Hund Jamie und seine beste Freundin Shuki, die Hündin meiner Eltern.
Urlaub was heißt das eigentlich? Für viele ist der Inbegriff von Urlaub sicherlich ausschlafen und rumgammeln. Ich kann das absolut nachvollziehen, mein Hund jedoch nicht. Wer einen Labrador schon mal im Wasser erlebt hat, der weiß, welche Energien diese völlig zu Unrecht als gemütliche Familienhunde betitelten Kraftpakete auffahren können. Wer den Nordseestrand im Hochsommer bereits gesehen hat, weiß wie viele Menschen dort liegen, Beachball spielen oder Burgen bauen. Es liegt auf der Hand: Da passt etwas nicht zusammen. Will ich also nicht den Urlaub von zig arbeitsgestressten, sich bräunenden und die Sonne genießenden Menschen zu einem Erlebnis der ganz besonderen Art machen, oder ihn simpel ausgedrückt versauen, muss ich Kompromisse eingehen.
Mein Kompromiss ist es, die Uhrzeit zu finden, wo der Strand leer ist und der tobende Hund niemanden stören kann. In unserem Fall war das 7 Uhr morgens! Zu früh für Jogger, Spaziergänger, Schwimmer, Kinder und eigentlich jeden außer uns. Doch es gibt nichts schöneres, als den Strand für sich allein zu haben und schließlich mit einem müden, zufriedenen und nach Salzwasser und Sandmatsch stinkendem Hund man selber ist in einem ähnlichen Zustand nach Hause zu gehen und zu frühstücken.
Ein Ferienhaus an der Nordsee hat neben der Tatsache, dass man das Meer vor der Haustür hat, allerlei Vorteile: Kaum nervige Nachbarn, keine Autos und Spatz und Hase besuchen dich am Frühstückstisch. Besser gesagt würden sie gerne. Denn während mein Herz erweicht, wenn eine Rehfamilie durch unseren Garten spaziert, wird der Herzschlag von Jamies bester Freundin immer schneller. Zum Glück hindern hohe Terassenzäune sie daran, sich ein zweites Frühstück zu gönnen. Das dänische Bambi kann doch nicht wegen uns seine Mama verlieren!
Mit seinem vierbeinigen besten Freund in den Urlaub zu fahren heißt aber nicht nur Abstriche zu machen und aufzupassen, dass kein Blödsinn angestellt wird und man direkt aus dem Land geschmissen wird, wie viele jetzt bestimmt denken: Nein, es bringt auch Freude, die schönste aller nämlich: Das Teilen.
Schneidet man sich einen Apfel, so kann man sicher sein, dass es keine fünf Minuten braucht, bis man von hungrigen Hundeaugen angeglotzt wird. Im Urlaub kann auch der Vierbeiner seine guten Manieren mal vergessen. Legt man sich Auflage und Handtuch auf den Liegestuhl, ist es äußerst fatal sie unbeaufsichtigt zu lassen, um etwa sein Buch zu holen, denn nur einen Augenaufschlag später hat sich ein schwarzes Fellknäul genau dort eingerollt, wo man sich doch selber gerade entspannen wollte.
Meine Definition von Entspannung ist doch irgendwie eine andere, wie für die meisten Menschen. Darum kann ich auch verstehen, wenn mit dem Kopf geschüttelt wird, wenn ich meinen Urlaub als solchen betitele. Für mich ist es entspannend, früh morgens den Strand für mich zu haben und nachmittags Apfel und Sonnenliege mit meinem besten Freund zu teilen. Sind die Hunde entspannt, weil uns gerade keine Tiere besuchen, so bin ich es auch. Und wenn es regnet, genieße ich die leeren Straßen und das wunderschöne, freie Gefühl mit Hund und Gummistiefeln durch die Pfützen zu springen oder über den menschenleeren Strand zu rennen.
Nach zwei Wochen Nordsee sind wir dann auch wieder bereit für den vollen Park und all die muffeligen Gesichter, wenn das Wetter mal wieder schlecht ist.
Text: Annika Schwedhelm