Mein Leben, das Studium (h)und Ich
Jeder Hund wünscht sich wohl, dass sein Frauchen oder Herrchen den ganzen Tag nichts anderes tun könnte, als mit ihm zu kuscheln, zu spielen oder ihm irgendwie anders Aufmerksamkeit zu schenken. Jeder Hundebesitzer wünscht sich wohl, genau das tun zu können. Aber in den meisten Fällen dreht sich das Leben auch noch um viele andere Dinge, als um den liebsten Vierbeiner. Arbeit, Studium, Hobbys. Bei mir ist es momentan das Studium, was viel Zeit verschlingt. Während der Bachelor-Abschluss in immer mehr greifbare Nähe rückt, werden die zu belegenden Kurse immer langweiliger und die große Frage nach dem "Was mache ich danach?" drängt sich langsam in den Raum.
Meinem Hund ist das völlig egal. Frauchen muss lernen? Also nerve ich sie mit meinem Spielzeug. Sie will etwas schreiben? Ich kuschele mich auf sie drauf. So oder doch so ähnlich müssen die Gedanken meines felligen Freundes sein.
Den Hund während der heißen Phasen des Studiums zu vernachlässigen, kommt für mich nicht in Frage, also musste ein Plan her. Wenn ich studiere, also viel sogenannte Kopfarbeit mache, dann kann mein Hund das doch auch. Nachdem ich mehrere Stunden an einer Hausarbeit geschrieben habe, bin ich müde und will schlafen. Wenn mein Hund für einen längeren Zeitraum mit mir Tricks übt, so ist auch er müde und will schlafen. Das Schöne am Hund sein ist es, schlafen zu können, wann man will. Das Schöne am Frauchen sein, zu wissen, wovon der Hund müde wird. Mein Timing, ihn dann nicht nur körperlich, sondern auch vom Kopf her auszupowern, so dass er vollkommen müde ist, wenn ich lernen muss, wird immer besser. So haben wir am Ende beide was davon. Wir waren produktiv, haben was gelernt und können zufrieden sein.
So die Theorie, in der Praxis gibt es natürlich verschiedene Faktoren, die sowohl die Produktivität des Hundes, als auch meine einschränken.
Als Erstes kommt mir beim Lernen grundsätzlich die Hausarbeit in die Quere. Wer kennt das nicht? Ihr wollt gerade anfangen ein wichtiges Buch für das Studium zu lesen, da fällt euch plötzlich ein, dass ihr ja noch saugen müsst, den Müll runter bringen könntet und Hunger habt ihr auch schon wieder. Völlig egal, ob der Boden sauber, der Müll erst halb voll und die letzte Mahlzeit keine Stunde her ist. Jeder vernünftiger Appell meinerseits an mich selbst nützt da nichts. Selbst wenn ich mich zum Lernen zwinge und mir sage, die Hausarbeit läuft ja nicht weg, so kann ich mich nicht auf das Lernen konzentrieren.
Wenn ich mit meinem Hund draußen etwas üben will, kommen uns immer andere Hundebesitzer in die Quere. Völlig egal, ob an der Stelle Leinenzwang ist oder man eindeutig sieht, dass wir gerade etwas üben, darf Fiffi mit gefühlten 50 km/h auf uns zu rennen. Das ist ja so süß. Mein freundlichen "Könnten Sie bitte Ihren Hund wieder zu sich rufen?" wird dann völlig ignoriert. Ist ja egal, ob mein Hund gerade nicht spielen darf. Ich Unmensch, das darf er schließlich nie, das arme Tier. Ich bekomme dann zu hören "Mein Hund geht eh gleich weiter." oder "Aber die wollen doch nur mal kurz Hallo sagen." Dass Hunde sich in dem Moment schon begrüßen und gegenseitig abchecken, während sie sich aus der Distanz sehen, ist völlig egal. Nein, da müssen die Nasen aneinander gequetscht werden, der Hintern beschnüffelt und meine Leine verknotet werden. Erst dann haben sich die Hunde nach Auffassung einiger Hundebesitzer begrüßt. Ich kann nur froh sein, dass die Menschen mich nicht auch so begrüßen, sondern ein grummeliges Nicken aus der Entfernung vorziehen. Auch wenn ich dann sage "Ich übe mit meinem Hund gerade was, es geht jetzt sehr schlecht.", so wird mir nicht zugehört. Warum auch? So passiert es also bei vielen Spaziergängen, dass weniger mein Hund lernt, sondern mehr ich: und zwar über die Dreistigkeit der Menschheit.
Zuhause angekommen ist Jamie dann trotzdem erledigt, vielleicht nicht immer von den Kopfübungen, die wir uns vorgenommen haben zu machen, aber er schläft. Und das freut mich sehr, denn dann kann ich ohne ein schlechtes Gewissen zu haben mir meinen Laptop schnappen und endlich weiter für die Uni lernen, damit ich schnell meinen Abschluss habe und dann zumindest erstmal wieder ein bisschen mehr Zeit für meinen liebsten Vierbeiner.
Text: Annika Schwedhelm