Herbstlaub und Kastanienbomben
Ein ganzes Jahr ist es schon wieder her, seitdem meine absolute Lieblingsjahreszeit das letzte Mal "Hallo" gesagt hat. Der Herbst. Ich liebe den Herbst besonders deswegen, weil er die positiven Eigenschaften des Sommers aufgreift und bereits einige schöne Aspekte des Winters für uns bereithält.
So ist das Wetter noch mild und man muss sich nicht in Wintermantel und Stiefel quetschen, bevor man das Haus verlässt. Doch trotzdem ist man abends froh, sich auf dem Sofa in eine Decke zu kuscheln und einen warmen Kakao zu trinken. Vielleicht liegt es am Klimawandel, von dem alle sprechen, doch für mich hat der Herbst den Frühling eindeutig als Lieblingsjahreszeit abgelöst. Sommer und Winter mag ich eh nicht zu heiß und viel zu kalt. Und der Frühling ist inzwischen zum zweiten Winter geworden. Schnee an Ostern, plötzliche Kälteeinbrüche. Ein fließender Übergang zum heißen Sommer ist doch seit Jahren nicht mehr vorhanden.
Mein Hund mag den Herbst auch. Überall liegen Stöcker rum, die von den Bäumen gefallen sind. Das ist für eine so stockfixierte Rasse, wie den Labrador das reinste Paradies. Es gibt zahlreiche Blätterhaufen, durch die er rascheln kann und er kann den Eichhörnchen die Haselnüsse klauen. Jamie liebt es die Nase in die Luft zu strecken, wenn der Wind durch den Park fegt und all die schönen Gerüche zu ihm bringt. Ein Hund zu sein in dieser Jahreszeit ist herrlich. Ein Hundebesitzer zu sein geradezu abenteuerlich, wenn nicht sogar lebensgefährlich!
Zunächst einmal wären da rutschige Stellen in scheinbar furztrockenem Laub. Es knistert, es raschelt, man genießt es den knackenden Blättern, auf die man tritt, beim Zerfall zuzuhören und zack liegt man auf dem Hintern, weil sich unter dem trockenen Laub ein bisschen von Regen oder Hunden nassgemachtes Laub versteckt hat. Im Laub ausrutschen kann ich noch besser, als auf Schnee oder Glatteis. Da weiß man wenigstens, dass es glatt ist. Neben nassen Laubstellen, verstecken sich auch andere Gefahren unter den schönen bunten Blättern. Meine Lieblingssituation ist Folgende: Als vorbildlicher Hundebesitzer trage ich immer Plastiktütchen bei mir, um die Hinterlassenschaften meines Tieres wegzumachen. Als vorbildlicher Hund, versucht Jamie während seines Geschäftes soweit ins Gebüsch reinzukriechen, wie es nur geht. Der Hund ist fertig und ich vollziehe mit Plastiktüte in der einen und Hundeleine in der anderen Hand ein bühnenreifes Kunststück, um den Park sauber zu halten. Gar nicht mal so einfach, wenn das Laub direkt alles versteckt, was drauf fällt. Ich bin also auf der Suche und trete selbstverständlich dabei in den Haufen eines Hundes, der einen nicht ganz so vorbildlichen Besitzer haben muss, hinein. Ohne vorher die Chance zu haben, es sehen zu können. Hat schließlich das Laub versteckt. Durch mein Geruckel an Büschen und Bäumen während dieser sportlichen Betätigung, habe ich der Natur ein bisschen dabei geholfen ihre Früchte zu lockern und nur eine halbe Sekunde später landet eine Kastanie auf meinem Kopf. Jeden Herbst dasselbe!
Um dieser Gefahr von Kastanienbomben aus dem Weg zu gehen, haben wir die letzten Tage alternative Spazierwege ausprobiert. Gar nicht mal so einfach, Wege ohne Kastanienbäume oder ähnlichem zu finden. Auf der Suche dabei sind wir unter anderem durch die Wege eines Kleingartenvereins gelaufen. In einem Kleingartenverein kann man sich sicher sein, dass die Wege sauber gefegt sind und alle Bäume so stark gestutzt wurden, dass selbst wenn etwas hinunterfällt, es keine Chance hat auf meinen Kopf zu fallen. Stattdessen duftet es dort nach frischgemähtem Rasen und man spürt an jeder Ecke, wie die Gärten nun wintertauglich gemacht werden. Passend zu den Weihnachtssüßigkeiten im Supermarkt und den Kalendern für das Jahr 2015 in der Innenstadt, lassen schließlich auch die korrektesten aller Deutschen, die Kleingärtner, das Jahr 2014 langsam ausklingen. Winter-Melancholie im Herbst. Auf dem Rückweg nach Hause, fällt direkt vor unseren Füßen ein großer Ast eines Haselnussbaums herunter. Jamie freut sich, denn so einen riesigen Stock findet man nicht alle Tage. Ich freue mich, denn ich hätte den Ast auch auf den Kopf bekommen können und eine Beule pro Spaziergang reicht dann auch mir.
Warum liebe ich den Herbst und die Herbstspaziergänge trotzdem? Es gibt nichts Schöneres, als all die bunten Farben der Blätter in der Herbstsonne. Nichts Schöneres, als einen warmen Wind um die Nase, der noch ein bisschen nach Sommer riecht. Und es gibt mit größtem Abstand absolut nichts nichts nichts Schöneres, als nach einem lebensbedrohlichen Spaziergang mit einem zufriedenen Hund auf dem Sofa zu kuscheln, und einen heißen Kakao zu trinken.
Text: Annika Schwedhelm