Freundschaft oder: Können wir uns gut riechen?
"Wollen wir Freunde sein?" die eine Frage, die in der Grundschule und auch später noch so oft gefragt wurde und die einem nicht selten Angst machte. Angst vor Zurückweisung oder Enttäuschungen. Inzwischen habe ich keine Angst mehr und mein Hund übrigens auch nicht. Weshalb wir uns in Sachen Sozialkontakte manchmal einiges von unseren Vierbeinern abschauen können, darüber möchte ich heute sprechen.
Wenn es darum geht jemanden zu mögen oder auch nicht, ist mein Hund Jamie ein etwas einseitiges Beispiel, denn er mag eigentlich die meisten Hunde und fast alle Menschen, die ihm so begegnen. Allerdings wird er nicht von allen Hunden gemocht. Hunde klären das jedoch super schnell. Ein Blick reicht meist aus und schon ist klar, die können sich nicht gut riechen. Hunde regeln solche Situationen meistens ganz einfach, indem sie sich aus dem Weg gehen. Manchmal ist es auch notwendig sich anzuknurren oder anderweitig klar zu machen, dass man sich nicht mag. Aber das erlebe ich mit meinem gutmütigen Herzhund selten.
Bei uns Menschen ist es doch oft so, dass unser Bauchgefühl uns schon sagt, ob wir jemanden auf Anhieb mögen oder nicht. Ein ungutes Bauchgefühl zu haben, deutet oft auf irgendwelche Spannungen hin. Aber im Gegensatz zu den Hunden gehen Menschen sich nicht immer aus dem Weg. Sie versuchen eine Lösung zu finden, wie man sich doch miteinander versteht, weil das Umfeld beispielsweise studiert man zusammen oder geht auf dieselbe Schule ein permanentes aus-dem-Weg-gehen unmöglich macht. All diese Zickenkriege, Dramen und komplizierten Freundschaften jeder kennt das doch, man denkt sich "Aber eigentlich verstehen wir uns doch gut " Das Wort eigentlich lässt inzwischen bei mir die Alarmglocken schrillen. Es ist als würde es in manchen Freundschaften ein sich-anknurren geben, auf das einfach niemand achtet. Anstatt auf das Bauchgefühl zu hören, möchte man auf Teufel komm raus mit jedem gut auskommen.
Mein Hund hat hier in unserer Wohngegend ein paar "beste Freunde", die treffen wir oft bei Spaziergängen und dann ist die Freude auf beiden Seiten riesig. Es wird getobt, sich beschnüffelt, sich abgeschleckt und eine Trennung, weil man irgendwann nach Hause möchte, ist dann die ersten paar Meter ganz furchtbar traurig. Ich liebe es, wenn wir Jamies beste Freunde treffen, weil er in diesen Momenten so glücklich ist. Diese Freunde hat er sich jedoch ausgesucht. Wir treffen genauso oft, wenn nicht sogar öfter auch andere Hunde, bei denen er sich nicht so freut und wo er einfach vorbei geht. Er macht es ganz richtig: Nur Zeit mit denen verbringen, die er wirklich mag. Ich lasse ihm da allerdings auch seinen freien Willen. Es gibt viel zu viele Hundebesitzer, die der Meinung sind "Die müssen sich doch mal Hallo sagen." und am liebsten beide Hundenasen aneinander drücken würden. Sie wollen einfach nicht verstehen, dass Hunde sich schon viel eher begrüßen, aus der Ferne, mit Körpersprache, die wir oft gar nicht so schnell erkennen. Mein Hund muss niemanden mit Küsschen begrüßen, so ein Quatsch. Wir bleiben bei denen stehen, die wir in den letzten 3,5 Jahren hier so kennen und mögen gelernt haben, bei allen anderen gehen wir einfach weiter. Jamie übrigens auch ganz freiwillig es ist, als hätte er eben seinen Freundeskreis und als würde ihm das reichen. Ich bin natürlich keine Hundetherapeutin, das ist bloß meine absolut vermenschlichte und künstlerisch interpretierte Sichtweise auf seine Hundekontakte. Jamie hat seine Freunde und wer ihm nicht geheuer ist, mit dem will er keine Zeit verbringen.
Nicht so wir Menschen. Wir verbringen viel zu viel Zeit mit Bekannten, die wir insgeheim nicht leiden können. Treffen uns mit Leuten, über die wir keine gute Meinung haben. Verschwenden unsere Lebenszeit mit Freundschaften, die uns nicht gut tun. Ich mache das seit gut 1,5 Jahren nicht mehr. In der Hinsicht habe ich mir sehr viel von meinem Hund abgeguckt. Warum sollte ich meine Zeit mit Personen verbringen, die mir letztendlich nur Kummer und schlechte Laune bereiten? Ich finde nicht, dass Freundschaften kompliziert sein müssen, auch wenn es diverse Fernsehserien immer wieder so darstellen. Die beste Freundin sei eigentlich deine schlimmste Feindin und deine große Liebe ein Arschloch. In Hollywood mag das ja funktionieren, im wahren Leben aber nicht. Da dies in vielen Köpfen noch nicht angekommen ist, liegt es in unserer Hand unsere sozialen Kontakte auszusieben. Bis wir ganz sicher gehen können, uns nur noch mit den Menschen zu umgeben, bei denen es einfach passt. Keine Dramen, keine unüberwindbaren Hindernisse, keine gekräuselten Nasen, weil der Geruch nicht passt. Sondern Freundschaften, die einfach funktionieren, ohne dass man ständig Probleme, die man miteinander hat, aus dem Weg schaffen muss. Denn dann hat man auch viel mehr Energie, um gemeinsam Probleme mit anderen Dingen anzugehen. Sei es Stress in der Uni oder die verzweifelte Suche nach einem leckeren Stöckchen.
Text: Annika Schwedhelm