Interview mit Dominik Bartels
Dominik Bartels ist ein Poetry Slammer, Buchautor und Moderator von Poetry Slams. In den Jahren 2009, 2010, 2011, 2013 und 2014 qualifizierte er sich für die deutschen Meisterschaften im Poetry Slam. Doch was ist eigentlich ein Poetry Slam? Sinngemäß ist es ein Dichterwettstreit. Die Teilnehmer tragen selbstgeschriebene Texte in einer gesetzten Zeit vor und das Publikum bewertet diese. Die Texte können in Reimform sein, können lustig, ernst oder kritisch sein, dafür gibt es keine Vorgaben. Wir haben mit dem erfahrenen Slammer Dominik Bartels über Poetry Slams gesprochen.
Wie bist du zum Poetry Slam gekommen?
Durch Zufall. Anfang der 2000er Jahre bin ich in Braunschweig in eine Veranstaltung reingestolpert und war vollkommen fasziniert von der Energie auf der Bühne. Es hat aber noch mehr als ein Jahr gedauert, bis ich mich getraut habe, selbst auch mal etwas vorzutragen.
Seit wann machst du Poetry Slams?
Aktiv bin ich seit 2003 dabei.
Der Poetry Slam als abendfüllende Veranstaltung erlebt momentan einen Hype. Wie erklärst du dir das?
Diesen "Hype" gibt es ja schon seit einigen Jahren. Eine simple und einfache Erklärung dafür zu finden, ist nicht leicht. Der Erfolg beruht schlicht auf mehreren Faktoren. Poetry Slam ist ein Format im steten Wandel. Es kommen regelmäßig neue Leute dazu, die immer wieder auch einen frischen Wind in die Szene tragen. Ein weiterer wesentlicher Grund ist die Publikumsinteraktion. Die Besucher sind wichtiger Bestandteil des Abends, nicht nur Zierde oder schicker Rahmen für irgendeinen Star auf der Bühne. Ich denke, diese relative Distanzlosigkeit zwischen den Künstlern und dem Publikum ist ein wichtiger Baustein des Erfolgs.
Wie hebt sich ein Poetry Slam deiner Meinung nach von anderen Literaturveranstaltungen ab?
Das kann man ebenso wenig pauschalieren. Der Poetry Slam hebt sich nicht unbedingt von anderen Literaturveranstaltungen ab. Es gibt zahlreiche Lesebühnen oder klassische Lesungen, die einen gewissen Eventcharakter besitzen. Ich denke, die große Beliebtheit des Formats resultiert auch zu einem großen Teil aus der Tatsache, dass die Slammer oftmals Texte schreiben, die darauf zielen, dem Publikum zu gefallen. Dieser Fakt ist gleichzeitig auch der größte Kritikpunkt am Poetry Slam. Denn natürlich MUSS eine Kunstform wie Literatur sich nicht am Geschmack der Leute orientieren. Im Gegensatz zu den harschen Kritikern sage ich jedoch: sie KANN und DARF es aber. Es ist nicht zu verurteilen, wenn ein Künstler versucht, seine Inhalte möglichst massenkompatibel zu verpacken. Das ist eben ein Weg von vielen. Und so ist auch Poetry Slam nur ein Literaturformat von vielen. Das Prinzip findet sich auf offenen Bühnen ebenso wieder wie bei irgendwelchen Talentwettbewerben. Letztlich geht es darum, den Leuten eine gute Show zu bieten und sie im besten Falle glänzend zu unterhalten. Daran finde ich per se nichts Schlechtes.
Du kommst gebürtig aus dem Norden, wie hat es dich in unsere Region verschlagen?
Meine Eltern sind kurz nach der Wende aus dem Osten gen Westen gezogen. Etwa 2 Kilometer hinter der ehemaligen Grenze, in Helmstedt, erlahmte der Elan meiner Erzeuger und so sind wir dort hängengeblieben.
Hast du in Braunschweig eine Location, in der du am liebsten auftrittst/moderierst?
Den Roten Saal im Schloss mag ich schon sehr, weil das Team super ist und sich alles in einem familiären Rahmen abspielt. Aber natürlich war es auch etwas ganz Besonderes als ich 2013 das Finale der Landesmeisterschaften im großen Haus des Staatstheaters moderieren durfte. Das ist schon eine großartige Erfahrung mit Gänsehautgarantie.
Du machst erfahrungsgemäß gern Witze über die Stadt, in der du auftrittst/moderierst. Wie bereitest du dich auf einen Auftritt in einer Stadt vor? Vielleicht auch in einer Stadt, mit der du wenige Berührungspunkte hast?
Ehrlich gesagt bereite ich mich immer sehr intensiv vor. Ich recherchiere viel im Internet und frage die Leute vor Beginn der Veranstaltung aus. Die Zeit nehme ich mir aber gern. Das hängt einfach damit zusammen, dass ich möchte, dass das Publikum einen schönen und unter-haltsamen Abend verlebt und sich die Künstler gewertschätzt fühlen. Als Moderator bist Du das Bindeglied zwischen den Leuten vor und den auf der Bühne. Im Idealfall schaffst Du es, dass am Abend eine besondere Energie entsteht, die allen ein gutes Gefühl beschert.
Du machst öfter Workshops. Was vermittelst du?
In meinen Workshops vermittle ich in erster Linie die Lust am Umgang mit der Sprache. Es gibt nicht das vorrangige Ziel, auf die Bühne zu gehen und einen Text zu performen. Ich möchte, dass die Teilnehmer erfahren, wieviel mehr man mit Sprache ausdrücken kann, wenn man mit ganzem Herzen und aus voller Überzeugung seine Gedanken in Worte verwandelt hat. Und ich möchte sie aus der Alltagskomfortzone herausholen, in der wir alle uns sprachlich zu oft bewegen. In den letzten Jahren habe ich fast ausschließlich mit Schülern und Jugendlichen gearbeitet. Ab und zu gibt es aber auch Firmen, die ihren Mitarbeitern neue Ausdrucks- und Präsentationsformen näher bringen wollen. Ich mache diese Workshops mittlerweile seit fast 10 Jahren und da sammelt man natürlich sehr, sehr viel Erfahrung.
Wenn du einen Poetry-Slam-Text hörst, kannst du beim Hören schon einschätzen, wie das Publikum ihn bewerten wird oder wirst du öfter überrascht?
Ich gebe zu, bei der Masse an Texten, die ich über die vielen Jahre bereits gehört habe, entwickelt man schon ein gewisses Gespür dafür, welche Beiträge hohe Wertungen einfahren und welche nicht. Trotzdem werde auch ich in aller Regelmäßigkeit wieder überrascht. Und das ist auch gut so.
Hat dich ein Slammer-Text in den letzten Wochen richtig umgehauen oder hast du ein Lieblingstext von einem Slammer?
Ich habe in der Tat einen Lieblingstext. Von Anke Fuchs, einer Slammerin aus Köln. Der Text heißt: "Was wisst ihr schon davon?" Noch immer das Beste, was ich jemals bei einem Poetry Slam gehört habe.
Welchen Text findest du von dir selbst am besten?
Das wechselt je nach Stimmungslage. Im Moment mag ich den Jesus-Gangsterrap sehr gern.
Was passiert nach einem Slam?
Das kommt ganz extrem darauf an, ob die Slammer gerade auf einer längeren Tour oder nur für diesen Auftritt vorbeigekommen sind. Die Szene hat sich in den letzten Jahren sehr professionalisiert und viele unserer Künstler haben einen straffen Terminplan. Da kann man nicht in jeder Stadt nächtelang um die Häuser ziehen. Aber einen gemütlichen Ausklang des Abends mit ein oder zwei Getränken und einigen guten Gesprächen gibt es eigentlich immer.
Was ist dein Lieblingswitz?
Ich bin einer dieser Menschen, die sich überhaupt keine Witze merken können. Das ist ganz schlimm.
Manchmal wirkst du auf der Bühne wie der "Papa" der Slammer. Führst du neben deiner Moderationsfunktion noch eine psychologische Komponente hinter der Bühne aus?
Diese Komponente nehme ich manchmal sogar zu ernst. Gerade jüngeren Slammern versuche ich mit auf den Weg zu geben, dass sie weniger touren und mehr schreiben sollten. Ich finde es immer etwas bedenklich, wenn die Leute mal gerade drei oder vier Texte in der Mappe haben, aber durch ganz Deutschland touren. Das ist einfach nicht der richtige Weg. Natürlich möchte ich gern auch etwas von meinem Erfahrungsschatz weitergeben, aber das ist oft nicht gewollt. Die jungen Leute sind sehr selbstbewusst und abgeklärt. Aber wir haben natürlich auch Debütanten auf der Bühne, die vor Nervosität richtig zittern. Da hilft es einfach, wenn man sie mal in den Arm nimmt und den Erwartungsdruck etwas abmildert.
Das ich meist ein paar Anekdoten über die SlammerInnen erzähle hat den einfachen Grund, dass ich sie aus der Anonymität der 5 Minuten-Regel herausholen möchte. Wenn die Poeten auf die Bühne kommen, sollte im Idealfall schon eine gewisse Bindung zum Publikum vorhanden sein. Das funktioniert am besten, wenn die Leute ein paar Infos bekommen. Wie schon erwähnt, Künstler und Publikum sollen sich gleichermaßen wohl fühlen.
Welche "Unterarten" des Poetry Slam gibt es?
Wir haben in Braunschweig schon einige Unterarten veranstaltet. Einen Preacher-Slam (Pastoren gegen Slammer) gab es genauso wie Song-Slam oder Dead or Alive (tote gegen lebende Dichter). Darüber hinaus gibt es noch Kurzfilm-Slams, Science-Slams, Composer-Slams (Komponistenwettstreit, Anm. d. R.) und die abenteuerlichsten Kombinationen aus allen möglichen Genres. Der Phantasie sind da kaum Grenzen gesetzt. Wir legen auch immer wieder besonderen Wert auf sogenannte Themen-Slams. Eine schöne Art und Weise, um sich literarisch an verzwickte und unpopuläre Dinge heranzuwagen.
Weitere Infos und Termine finden Sie unter www.poetry-slam-braunschweig.de/tag/poppin-poetry
Interview: Lea Marie Bender