Interview mit Christiane Heuwinkel
Denkt man an Kunst in Braunschweig und Umgebung, so denkt man auch sofort an das Kunstmuseum in Wolfsburg. Viele Menschen besuchen das bekannte Museum mit seinen vielfältigsten Ausstellungen sehr gerne und regelmäßig. Darum wollten wir erfahren, was hinter dem Kunstmuseum steckt und was wir sowohl derzeit, als auch zukünftig von dem Wolfsburger Museum erwarten können. Dazu hat sich Christiane Heuwinkel, die Leiterin für Kommunikation und visuelle Bildung des Museums, bereit erklärt uns Rede und Antwort zu stehen.
Frage: Das Kunstmuseum in Wolfsburg gibt es nun seit 20 Jahren. Welche Ziele verfolgte es damals bei der Eröffnung, und inwiefern haben sich diese bis heute weiterentwickelt?
Christiane Heuwinkel: Idee der Gründung des Kunstmuseum war es, in der jungen Stadt Wolfsburg ein Zentrum zeitgenössischer Kunst zu etablieren. Dabei griff man die Initiative des früheren Vorstandsvorsitzenden von Volkswagen, Heinrich Nordhoff, auf, der von 1952 bis 1967 viel beachtete Ausstellungen u. a. zu Franz Marc, Lovis Corinth oder Vincent van Gogh nach Wolfsburg geholt hatte. Und konsequenterweise startete das neue Kunstmuseum 1994 dann auch mit einer Eröffnungsausstellung zur Klassischen Moderne: Fernand Léger. Der Rhythmus des modernen Lebens. Mit der Ausstellung Oskar Kokoschka. Humanist und Rebell wird zum 20. Geburtstag in gewisser Weise an diese Tradition angeknüpft und gleichzeitig mit den Spuren der Moderne ein Einblick in die eigene Sammlung mit Kunst seit den 1960er-Jahren gewährt.
Frage: Welche Zielgruppen sollen sich vom Kunstmuseum angesprochen fühlen?
Christiane Heuwinkel: Das offene Museum ist der programmatische Titel einer Publikation zum 10. Geburtstag des Kunstmuseum Wolfsburg. Mit diesem Titel ist die Leitidee des Museums seit seiner Gründung benannt, der offene Charakter, der bereits durch die Architektur des Hauses (Schweger & Partner, Hamburg) zum Ausdruck kommt. Offen ist das Museum für alle Interessierten, für alle Neugierigen: dafür steht das umfangreiche, zielgruppenorientierte Vermittlungsprogramm. Ein Beispiel ist das "Busprojekt", bei dem für Schülergruppen und auch für Senioren spezielle Führungen und die Fahrt zum Museum organisiert werden oder auch das an kulinarisch interessierte Museumsbesucher gerichtete "Eat and Art"- Programm unter dem Motto "Erst die Kunst und dann der Braten".
Frage: Was für Ausstellungen bzw. Sammlungen kann man regelmäßig im Kunstmuseum betrachten?
Christiane Heuwinkel: Das Regelmäßige ist in diesem Fall das Unregelmäßige: Anders als in "klassischen" Museen, die ihren Eigenbesitz in Sammlungsräumen permanent zeigen, arbeitet das Kunstmuseum Wolfsburg mit seinen eigenen Werken im Sinne eines Fundus, der in Ausstellungen wie den Spuren der Moderne unter einem bestimmten Blickwinkel befragt, ausgewählt und ausgestellt wird.
Frage: Gab es Ausstellungen in der Vergangenheit, auf welche die Organisatoren im Museum besonders stolz sind?
Christiane Heuwinkel: Sicher ist James Turrell. The Wolfsburg Project ein solches Projekt, auf das das Museum besonders stolz ist, ist diese Installation doch die bisher größte in einem Museum realisierte Arbeit dieses Künstlers. Das Kunstmuseum Wolfsburg hat mit seiner 40 x 40 Quadratmeter großen Halle eine einzigartige Ausstellungsfläche, die es Künstlern ermöglicht, eigentlich ein Museum überfordernde Projekte zu realisieren. So legte Olafur Eliasson in seiner Ausstellung Your Lighthouse eine riesige Fläche aus Spiegelfolie aus, die als Vexierspiel Decke und Boden scheinbar vertauschten und so ein "ver-rücktes" Raumerlebnis schufen.
Frage: Architektonisch fällt das Kunstmuseum mit seinem modernen Stil direkt ins Auge. An das Museumsgebäude gekoppelt ist der "Japangarten" wann und in welchem Zusammenhang ist dieser entstanden?
Christiane Heuwinkel: Der Japangarten entstand im Zusammenhang mit der Ausstellung Japan und der Westen (2007/08). Der Architekt Kazuhisa Kawamura gestaltete ihn nach dem Vorbild eines berühmten Zen-Gartens in Kyoto als meditativen Raum zwischen Innen und Außen, in dem der Besucher das Kunsterlebnis nachwirken lassen und zur Ruhe kommen kann.
Frage: Welche Besonderheiten bietet das Kunstmuseum neben der Kunst, die selbstverständlich im Fokus steht, noch an?
Christiane Heuwinkel: Kunst macht hungrig. Das ist eine Erfahrung, die sicher jeder Museumsbesucher kennt. Das Restaurant "Awilon" mit seiner schönen Terrasse (und dem berühmten Kalbsschnitzel ) rundet den Ausstellungsbesuch kulinarisch ab. Und da die Besucher gern eine Erinnerung an den Museumsbesuch mit nach Hause nehmen, bietet unser Museumsshop eine Vielzahl von preiswerten, aber außergewöhnlichen Kleinigkeiten wie auch hochwertigen Designobjekten, Kunst- und Kinderbücher, Kunstpostkarten und mehr.
Frage: Welche aktuellen Sonderausstellungen haben Sie und können Sie darüber kurz etwas erzählen?
Christiane Heuwinkel: Zum 20. Geburtstag zeigt das Kunstmuseum zum ersten Mal seit fast 20 Jahren in Deutschland eine große Überblicksschau über das Werk des bedeutenden österreichischen Porträtisten Oskar Kokoschka. Das Spektrum der 55 Ölgemälde und 138 Papierarbeiten reicht von frühen, jugendstilgeprägten Arbeiten für die Wiener Werkstätte über expressionistische Werke für den Berliner Sturm hin zu späten symbolhaften (Selbst-)Porträts. Oskar Kokoschka wird hier als Chronist und Kommentator der gesellschaftspolitischen Umbrüche des 20. Jahrhunderts vorgestellt.
Frage: In welchen Zeiten kann man dem Museum einen Besuch abstatten, und gibt es spezielle Zeiten, wo Führungen angeboten werden?
Christiane Heuwinkel: Die Öffnungszeit des Museums ist täglich von 11 bis 18 Uhr (außer montags). Öffentliche Führungen finden samstags um 13.30 Uhr, sonntags und an Feiertagen um 11.30 und um 13.30 Uhr statt. Für Familien mit Kindern gibt es spezielle Mit-Mach-Führungen an ausgewählten Sonntagnachmittagen. Die Termine aller Veranstaltungen (auch Eat&Art, Vorträge, Themenführungen) finden Sie auf der Homepage: www.kunstmuseum-wolfsburg.de
Frage: Wo sieht sich das Kunstmuseum in der Zukunft? Sind bereits jetzt zukünftige Ausstellungen in Planung, auf welche sich Kunstliebhaber der Moderne freuen können?
Christiane Heuwinkel: Jedes Kunstmuseum plant mindestens zwei bis drei Jahre voraus, sonst könnten die komplizierten Vorbereitungen wie Verträge, Leihverkehr, Transporte, Ein- und Umbauten in der Museumsarchitektur etc. gar nicht abgewickelt werden. Unsere nächsten Ausstellungen im Herbst/Winter 2014/15 sind eine große Schau mit Werken von Imi Knoebel aus den Jahren 1966 bis 2014, ergebnisoffen, und eine Ausstellung mit Meisterwerken der Avantgarde-Fotografie der 1920er- bis 1950er-Jahre aus der Sammlung Siegert mit dem Titel RealSurreal.
So stehen wir mit einem Bein mit Kokoschka in der Klassischen Moderne und mit dem anderen hoch in den Wolken bzw. in der Zukunft aber das wird noch nicht verraten!
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, unsere Fragen so ausführlich zu beantworten.
Ein Beitrag von Annika Schwedhelm für BS-Live!