Interview mit Angelo Kelly
Angelo Kelly über seine "Coming Home"-Tour, Corona und Co.
Die Aufregung einen Weltstar am Hörer zu haben, fällt in sich zusammen wie ein Kartenhaus, als ich die freundliche, zugewandte Stimme am anderen Ende höre „Hallo, hier ist Angelo Kelly.“ Wir unterhalten uns über die „Lockdown-Phase“, die Hoffnungen der „Nach-Corona Zeit“, seine bewegte Geschichte und vor allem über sein Hier und Jetzt: seine Familie mit der der 38-Jährige Songwriter nicht nur hitverdächtige Alben schreibt und tourt, sondern mit der er nach vielen Jahren des Reisens endlich in Irland angekommen ist. Mit seiner Jugendliebe Kira (40 Jahre) ist er bereits über 20 Jahre zusammen und hat gemeinsam mit der Sängerin und Songwriterin fünf Kinder: Gabriel (19 Jahre), Helen (18 Jahre), Emma (14 Jahre), Joseph (10 Jahre) und William (5 Jahre).
Nach dem Comeback mit seinen Geschwistern ist er nun musikalisch mit seiner eigenen Familie unterwegs. Ihr gemeinsam aufgenommenes Album „Irish Heart“ stieg direkt auf Platz 2 der deutschen Albumcharts ein. Gefolgt von einer restlos ausverkauften Tournee. Diesen Winter können sich die Fans von „Angelo Kelly & Family“ auf die große „Irish Christmas Tour“ in Deutschland, Österreich und der Schweiz freuen, soweit diese stattfinden darf. Diesen Mai, direkt im Corona-Lockdown ist ihr brandneues Album „Coming Home“ erschienen die Gefühlswelten einer weitgereisten Musikerfamilie, die endlich ihren Platz gefunden hat, facettenreich widerspiegelt.
„Weltbürger mit irischem Herzen“
BS-Live!: Wie lange lebt Ihr schon in Irland?
Angelo Kelly: Das sind jetzt sieben Jahre. Meine Frau Kira, unsere fünf Kinder und ich sind froh darüber. Da gehören wir hin, fühlen uns wohl und haben damit unseren Ort gefunden. Ich wollte schon immer einmal hier leben!
BS-Live!: Euer Name ist irisch und Eure Alben transportieren auch das irische Flair und den Sound. Was verbindet Dich mit Irland - ursprünglich kommst du ja aus Bosten, USA richtig?
Angelo Kelly: Genau das stimmt. Allerdings ist Boston ein kleines Irland. Dort wird St. Patricks Day beispielsweise viel intensiver gefeiert als in Irland selbst (lacht). Die Sprache, die Traditionen und vor allem die Musik! Das sind immer starke Einflüsse gewesen. Dazu kommen die Gene unserer irischen Vorfahren. Geboren bin ich aber wiederum in Spanien. Also sozusagen ein „Weltbürger mit irischem Herzen“.
BS-Live!: Wie habt Ihr die „Lockdown-Zeit“ überstanden?
Angelo Kelly: In Irland waren die Kontaktbeschränkungen sehr strikt. Glücklicherweise leben wir recht abgeschieden auf dem Land und unser Gemüse-Lieferant kam durchweg zu uns. Es war ein Schock, einzusehen, dass wir den ganzen Sommer nicht auf Tour gehen werden. Aber wir haben wie wahrscheinlich viele andere versucht, das Beste aus der Lage zu machen. Wir haben als Familie eine Bootstour gemacht (die man übrigens auch bei „Goodbye Deutschland“ auf VOX.de anschauen kann – sogar selbst von Angelo produziert), an neuen Songs gearbeitet, Homeschooling gemacht, Gewächshäuser und sogar einen Hühnerstall gebaut! Langfristig ist unser Ziel, möglichst autark zu leben. Das erdet und der Kontrast zwischen Holzhacken und TV-Interviews ist einfach wunderbar!
BS-Live!: Was hat sich durch Corona für Euch verändert?
Angelo Kelly: Für uns als Familie gar nicht mal so viel. Homeschooling haben wir Kellys ja quasi erfunden! Ich wurde von meinen Eltern und Geschwistern unterrichtet und auch meine Frau und Ich unterrichten unsere Kinder selbst. Seit Corona bekommen wir dafür mehr Verständnis entgegengebracht.
Als Musiker ist es eine Katastrophe. Für unser Netzwerk und Team an Mitarbeitern von Veranstaltern, Hallenvermieter über Tour Begleiter und die Band. Alles steht plötzlich still und die Menschen können ihren Lebensunterhalt nicht mehr verdienen. Wir vermissen alle diese Menschen, den Kontakt zu unseren Fans, die Bühne und das Auftreten. Wir hoffen jetzt auf das Go für die „Irish Christmas Tour“ im Winter! Die Tickets bleiben auf jeden Fall gültig. Sollten die Winter-Konzerte auch abgesagt werden müssen, werden wir ganz sicher neue Termine für 2021 finden.
"Hoffentlich können wir im November in Braunschweig spielen"
BS-Live!: Da habt ihr auch einen Termin in Braunschweig, nämlich am 26. November! Was verbindest Du mit Braunschweig und der Region? Schon damals haben deine Eltern und Geschwister auf dem Kohlmarkt für Begeisterung gesorgt!
Angelo Kelly: (Lacht) Wie schön, aber das war dann wohl vor meiner Zeit! Ich bin schließlich der Jüngste mit Baujahr 1981! Mit der Region verbinde ich viel Positives. Und natürlich Autos (lacht). Vor allem die Braunschweiger Fans sind unglaublich! Ich meine, Braunschweig ist keine Metropole und trotzdem ist die sehr große Volkswagenhalle gefüllt mit fröhlichen Menschen! Da freuen wir uns jedes Mal drauf! Das ist einfach ein großartiges Gefühl! Auch in Salzgitter war ich bereits einige Male bei einem Meeting für Schlagzeuger. Das hat mir immer sehr gut gefallen.
BS-Live!: Wenn Du zurückdenkst an deine vergangene „Kelly-Zeit“: was waren unvergessliche Momente oder Zeiten?
Angelo Kelly: Da gibt es so vieles! Einer der prägendsten und unglaublichsten Momente war, als wir 1994 als Straßenmusiker auf eigene Faust die Westfalenhalle in Dortmund gemietet haben – damals eine der größten Hallen Europas. Wir wussten nicht was passieren würde. Und dann: war sie voll! 17.000 Menschen haben uns zugejubelt. Das war Gänsehaut pur und ohne es auszusprechen, wussten wir, etwas ganz Großes hat begonnen - jetzt hat sich für immer etwas verändert. Aber auch die Zeit auf dem Hausboot als Familie in Amsterdam Ende der Achtziger Jahre war unglaublich schön. Wir hatten so viel gemeinsame Zeit und Ruhe uns alle zu genießen, zu musizieren, zu leben.
BS-Live!: Gibt es das Hausboot und den legendären Doppeldecker-Tour Bus eigentlich noch?
Angelo Kelly: Ja tatsächlich gibt es beide noch. Den Bus hat mein Bruder Joey, der in der Nähe von Köln wohnt. Der wird auch regelmäßig gewartet und gepflegt. Könnte theoretisch gleich losfahren (lacht). Das Hausboot gibt es auch noch. Das liegt in der Nähe von Speyer. Wenn ich den Bus betrete, ist es wie ein Flashback in die Vergangenheit!
Alte und neue Familientraditionen
BS-Live!: Würdest du auch mit deiner Familie wieder „wie früher“ in den Bus steigen?
Angelo Kelly: Nein, das war die Zeit meiner Eltern und Geschwister und jetzt schreiben wir unsere Geschichte! Viele Traditionen meiner Eltern bewahre ich auch jetzt als Familienvater, Musiker und Unternehmer. Aber wir sind eine neue Generation und denken vieles neu. Nach dem Comeback mit meinen Geschwistern und meinem (Wieder-)Ausstieg wurde mir klar, dass ich ein ganz neues Kapitel aufschlage: mit meiner Band, meiner Familie und meinen Songs. Meine Familie steht an oberster Stelle, ich möchte möglichst viel Zeit mit ihr verbringen, auch abseits von der Musik.
BS-Live!: Wie stehst du heute zu dem Welthit „An Angel“ den du damals gesungen hast? Wusstest du, dass er am „Ballermann“ jede Nacht gegrölt wird?
Angelo Kelly: (Lacht) nein, tatsächlich wusste ich das nicht! Sollen die den Song gerne singen! Tatsächlich mochte ich nicht, auf diesen Song reduziert zu werden und habe ihn bald 20 Jahre nicht gesungen. Erst wieder bei dem Comeback, gemeinsam mit meinen Geschwistern. Jetzt konzentriere ich mich auf neue Songs, die unsere jetzigen Geschichten erzählen.
BS-Live!: Nicht nur Du und deine Frau schreibt Liedtexte und spielt Instrumente, sondern auch deine Kinder? Kann man das „Musiker-Gen“ erben?
Angelo Kelly: Naja, sie wachsen damit auf, dass ihre Eltern musizieren, überall liegen Instrumente herum. Wenn wir merken, dass ein Kind besonders Interesse an einem Instrument hat, fördern wir es, geben Unterricht oder lassen es unterrichten. Vor allem aber ist es Freude an Musik und Leidenschaft, die man teilt beim gemeinsamen Muszieren. Wenn das da ist, kommt vieles von allein. Unsere Großen, Helen und Gabriel haben auch schon ihre eigenen Songs geschrieben. Aber sie können auch andere Wege einschlagen, studieren etc. Wir unterstützen sie dabei. Und wenn eben keines der Kinder mehr mitmacht, dann ist es eben „Angelo Kelly & Band“ und nicht mehr „Angelo Kelly & Family“ (lacht). Jede gemeinsame Platte von „Angelo Kelly & Family“ sehe ich daher als großes Geschenk.
BS-Live!: Trefft ihr euch eigentlich zum Beispiel an Weihnachten alle, also die alte und die neuen Kelly Familien?
Angelo Kelly: Nein (lacht) das ist kaum möglich. Immer in kleineren Gruppen. Erstens sind wir so viele und dann ist immer irgendwer auf Tour und in der Welt unterwegs!
BS-Live!: Was würdest du machen, wenn die Musik nicht mehr wäre?
Angelo Kelly: Dann würde ich wohl Filme machen. Das Produzieren von „Goodbye Deutschland“ (VOX) hat mir sehr gefallen. Reportagen und Dokumentationen zu drehen, könnte ich mir gegebenenfalls häufiger oder intensiver vorstellen. Oder ich würde einen Plattenladen aufmachen! Meine Sammlung von rund 3000 Platten wäre schon mal ein Anfang (lacht).
BS-Live!: Wer ist dein größtes Idol?
Angelo Kelly: Da habe ich jede Menge! Je nach Genre etwa Miles David, Tupac, Eminem. Im Songwriting natürlich Bob Dylan und Bruce Springsteen. Ich hatte das Glück, sehr gute Lehrer gehabt zu haben, wie Billy Cobham meinen Schlagzeuglehrer, der mich und meine Musik maßgeblich geprägt hat.
BS-Live!: Wenn du wählen müsstest: Straßenmusiker oder die große Bühne?
Angelo Kelly: Kommt darauf an! Wenn ich bei der großen Bühne zu wenig Zeit mit meiner Familie hätte, dann Straße!
BS-Live!: Was sind deine Zukunftspläne?
Angelo Kelly: Vor allem für meine Familie da sein! Musik machen und wieder auftreten dürfen. Ich lasse auch vieles auf mich zukommen und plane selten mehrere Jahre voraus. Wenn schon abseits von unserer Heimat, würde mich nochmal ein Hausboot reizen. Aber auch das müsste wohl überlegt sein, dass die Kinder alt genug sind und man auch trotz allem immer wieder zurückkehren, eben nach Hause kommen kann.
Vielen Dank für das Interview und hoffentlich bis zum 26. November in der Volkwagen Halle!