Im Gespräch mit Michael P. Aust
Seit 11 Jahren leitet Michael P. Aust das Filmmusikfestival SoundTrack_Cologne und ist seit 1996 Geschäftsführer und Produzent der TelevisorTroika GmbH, Köln. Nach Abitur und Bankausbildung folgte ein Studium in BWL, Kunstgeschichte, Theater-, Film-, und Fernsehwissenschaft und Kulturmanagement in Köln und Wien. Aust leitete Veranstaltungen wie u.a. das Medienkunstfestival "DuKunst", die "StadtKlangNetz" Konferenz zur Musikvermittlung, "Play!Cologne" zu Videospielen sowie die Ausstellung "The Art of Pop Video" im Museum für Angewandte Kunst Köln, die zudem 2012 im Odessa Art Center und 2013 im FACT, Liverpool, gezeigt wurde. Für ZDF/3SAT bzw. Berlinale verantwortete er 2005 alle Veranstaltungen im Berlinale Palast. Als (Ko-)Produzent war Aust an 16 Kinofilmen wie "101 Reykjavik", "Stolperstein", und "Pommes Essen" beteiligt. Seit 2014 ist er Direktor des "Braunschweig International Filmfestival".
Das anstehende 29. Internationale Filmfestival Braunschweig, das vom 2. bis 8. November 2015 stattfindet, haben wir zum Anlass genommen, um mit Michael P. Aust zu sprechen.
Herr Aust, was sind die Highlights, die die Zuschauer beim diesjährigen Braunschweiger Filmfestivals erwarten?
Das Filmfest bewegt sich schönes bleibt, neues kommt hinzu. Wir beginnen das Festival mit dem Filmkonzert "Die Päpstin" in Kombination mit einer zehnteiligen Werkschau zum filmischen Schaffen von Marcel Barsotti. Der zweite Höhepunkt dieser Reihe ist das Filmkonzert zum Stummfilm "Dolphins" am Donnerstag im Städtischen Museum und das dritte Highlight ist die Weltpremiere des Horrorfilms "The Power".
Dann haben wir dieses Jahr eine neue Reihe, die nennt sich "Beyond" und öffnet sich dem jungen experimentellen Kino. Dieses Jahr beschäftigt sich "Beyond" mit dem Thema "Liebe" - acht Filme, die sich auf die Suche begeben. Eine zweite neue Reihe ist "Green Horizons": Stichwort "Nachhaltigkeit" und "ressourcenschonendes Leben". Hier zeigen wir aber keine didaktisch wertvollen Lehrstücke mit erhobenem Zeigefinger, sondern Werke, die vor allem als Filme funktionieren. Außerdem widmet das Filmfest seine Mitternachts-Reihe dem Autoren H.P. Lovecraft. Hier werden wir mit 13 Filmen die erste deutsche Lovecraft-Werkschau präsentieren. Auch die Festival-Party steht entsprechend unter dem Motto "Call of Cthulhu".
Neu ist auch, dass wir unsere Filme jetzt auch in der Region zeigen: Im Hallenbad Wolfsburg, im Planetarium und im Kunstmuseum Wolfsburg, im FilmPalast Wolfenbüttel und im Kultiplex Salzgitter werden jeweils Highlights aus dem Programm des Filmfestivals präsentiert.
Welche Filme gehören beim diesjährigen Filmfest zu Ihren persönlichen Favoriten?
Als erstes würde ich "Wednesday 4:45 Uhr" vorschlagen. Das ist ein toll gefilmter, sehr dichter Thriller über einen Clubbesitzer, der über seine Verhältnisse lebt Drogen, großes Auto, großes Haus, teure Geliebte. Er hat sich daher von der Mafia Geld geliehen und nun will die Mafia ihr Geld vereinbarungsgemäß zurück haben. Der Film spielt in Griechenland und ist natürlich auch eine sehr böse Allegorie auf die wirtschaftliche Situation des Landes.
Wenn man lieber lachen möchte, dann würde ich "Das ganz Neue Testament" oder "Liza, the Fox-Fairy" empfehlen. "Das ganz Neue Testament" ist eine "Amelie"-bunte Komödie mit viel französischen Flair: Gott wohnt in Brüssel und hat eine Tochter, die rebelliert. Sie hackt den Computer ihres Vaters und verkündet den Menschen ihr Sterbedatum. Caterine Deneuve spielt in dem Film die Hauptrolle, geht mit einem Gorilla ins Bett und besticht durch ihre Warmherzigkeit. Ganz großes Kino! Bei der "Fox Fairy" geht es um eine Krankenschwester, die von einem Fluch begleitet wird. Weil alle Männer beim ersten Date mit ihr sterben, hält sie sich für eine "Fuchsfee", die nach einer japanischen Sage den Männern ihre Seele raubt. Der Film ist ein quietschbuntes Musical mit 70er Jahre Charme und vielen tollen Einfällen.
Ganz eigen ist auch "Arabian Nights". Hier haben wir die Premiere für den Norddeutschen Raum bekommen. Der Regisseur Gomez nutzt die 1001 Nacht-Struktur um fiktionale, traumhafte und dokumentarische Handlungsstränge zu einem großen Epos zu verweben. Ein tolles Werk, das die Wirtschaftkrise in Portugal untersucht. Wir zeigen alle drei Teile am Sonntag hintereinander, insgesamt 380 Minuten Film.
Worin besteht Ihres Erachtens nach der Erfolg des Braunschweiger Filmfestes?
Das Geheimnis liegt zu einem Teil darin, dass das Festival aus der Bürgerschaft heraus entstanden ist. Der Verein umfasst rund 40 Mitglieder mit sehr unterschiedlichem Hintergrund und Alter, die sich ein breites cineastisches Wissen angeeignet haben und die mit in die Vorauswahl der Filme eingebunden sind. Und weil diese Personen auch in der Stadt verwoben sind, ist das natürlich auch für unser Festival von großem Vorteil. Es gibt ein enormes Spektrum bezüglich der Filme und bei der Auswahl wird mit harten Bandagen gekämpft. Ich denke, dass es sich sehr positiv auswirkt, dass wir mit dem Verein im Grunde eine Art Testgruppe haben, aber auch Multiplikatoren, die ihre Lieblingsfilme an ihre Freunde weiterempfehlen.
Wo sehen Sie den Unterschied des Braunschweiger Filmfestes zu anderen Filmfesten?
Da ist natürlich die Einbindung der Stadtgesellschaft zu nennen, der Bezug zur Musik und die thematische Breite. Wir haben uns nicht auf eine bestimmte Form des Kinos festgelegt. Wir versuchen, bei der Filmauswahl viele aktuelle Strömungen abzubilden und einen guten Überblick über das Filmschaffen auf der Welt zu geben. Durch das lange Bestehen des Festivals und das Netzwerk von Kontakten, über das wir inzwischen verfügen, bekommen wir viele Filme, obwohl wir eigentlich ein im Vergleich zu anderen Festivals bescheideneres Budget haben. So konnten wir uns etwa die deutsche Festivalpremiere von "Anomalisa" sichern, dem neuen Film von BEING JOHN MALKOVICH Autor Charlie Kaufman direkt nachdem er den Großen Preis des Filmfestivals Venedig bekommen hat. Ebenfalls können wir "Sparrows" zeigen, den Gewinner des Wettbewerbs in San Sabastian, und "Colonia Dignidad", den neuen Film von Daniel Brühl mit Emma Watson, der in Toronta das Publikum begeisterte.
Wie wird sich das Filmfestival weiterentwickeln?
Das ist natürlich sehr schwierig, dies jetzt schon zu sagen. Ich bin erst mal gespannt, wie die neuen Spielorte in Wolfsburg, Salzgitter und Wolfenbüttel angenommen werden. Wir zeigen in diesem Jahr 30% mehr Langfilme als im Vorjahr, dafür aber weniger Kurzfilme. Auch hier muss man sehen, wie das angenommen wird. Ich persönlich möchte gerne in Zukunft den Schwerpunkt Musik und Film weiter ausbauen. Aber um neue Ideen zu entwickeln, braucht man immer auch zusätzliches Geld. Die Sorge ist natürlich real, dass sich die aktuelle Krisensituation auf die Kultur auswirkt. Wir haben in den letzten Wochen daher leider mehr darüber nachgedacht, ob es Möglichkeiten gibt, das Festival etwas krisenfester zu machen.
Welchen Schauspieler oder Regisseur würden Sie gerne einmal beim Filmfest in Braunschweig begrüßen?
Viele Schauspieler und Regisseure, die wir eingeladen hatten, haben wir ja bereits bekommen. Aber ich persönlich würde gerne mal den dänischen Filmregisseur Nicolas Winding Refn, der "Drive" gemacht hat, kennenlernen. Und zwar deshalb, weil er ein ganz eigenes Kino geschaffen hat, mit einer ganz besonderen Atmosphäre, wie zum Beispiel in den Filmen "Pusher" oder "Walhalla Rising" oder "Only God Forgives".
Auf welche Termine freuen Sie sich besonders?
Eigentlich auf die "Dolphins"-Aufführung am Festivaldonnerstag mit dem Staatsorchester im Städtischen Museum. Marcel Barsotti ist ein sehr vielseitiger Komponist, und "Dolphins" ist ihm persönlich eines seiner wichtigsten Werke. Außerdem machen wir eine eintägige Veranstaltung zur Zukunft der Filmkritik, auf die ich sehr gespannt bin. Die Veranstaltung stellt sich der Frage: Was hat die Filmkritik heute noch für Aufgaben und wie wird sie sich weiterentwickeln? In diesem Rahmen können auch alle Filminteressierten und Studenten einen Praxisworkshop zum Schreiben von Filmkritiken besuchen. Es wird also viel zu sehen und zu erleben geben.
Wir sind gespannt, wie das Filmfest bei den Braunschweigerinnen und Braunschweigern ankommt und bedanken uns erst einmal für den spannenden Einblick ins diesjährige Filmfestival!
Interview: Kerstin Lautenbach-Hsu