»Die Zukunft so hell« Staatstheater stellt Spielplan vor
Generalintendantin Dagmar Schlingmann und ihr Team stellen die Spielzeit 2020/21
Gestern hat Generalintendantin Dagmar Schlingmann gemeinsam mit ihrem Team im Rahmen eines Pressegesprächs das Programm für die Spielzeit 2020/21 am Staatstheater Braunschweig vorgestellt. Nach den Aufbrüchen in fremde Welten, den Fäden der Geschichte(n) und den großen, extremen Gefühlen, die zentral in den vergangenen Spielzeiten untersucht wurden, rückt nun unter dem Motto »Die Zukunft so hell« in der Forschungs- und Wissenschaftsstadt Braunschweig das Morgen in den Mittelpunkt. »Das ist ein trotziges Motto, gewidmet der Neugier, der Lust auf Zukunft, gerade in Zeiten von Krisen und Umbrüchen, ein Aufruf, sich einer vermeintlichen Vergeblichkeit entgegen zu stemmen, die Katastrophen wie Klimawandel, soziale Ungleichheit und aktuell die Corona-Pandemie uns vermitteln. Wir wollen in allen Sparten das Motto »Die Zukunft so hell« in unseren Programmen umkreisen, Utopien wie Dystopien mit spielerischem Ernst ausloten und die Welt als eine zeigen, die man verbessern kann«, so Dagmar Schlingmann.
Insgesamt 31 Neuproduktionen
sind in der nächsten Spielzeit auf den Bühnen des Staatstheaters Braunschweig geplant, davon allein 14 Uraufführungen. Dazu kommen 14 Konzertprogramme – zehn Sinfoniekonzerte und vier Konzertprojekte von JUNGES! Konzert. Das Musiktheater zeigt sieben Premieren, das Tanztheater fünf, das JUNGE! Staatstheater sechs und das Schauspiel unter der neuen Leitung von Ursula Thinnes dreizehn. Das ist größtenteils das noch in Vor-Corona-Zeiten geplante Programm. Neu ist, dass der im Mai ausgefallene »Fidelio« nun am 10. Oktober 2020 zur ersten Musiktheater-Premiere der Spielzeit 2020/21 wird. Die Burgplatz-Produktion »Madama Butterfly« wird erst im Sommer 2021 herauskommen. Im Schauspiel rückt Patrick Hamiltons »Gaslicht« auf den 12. September 2020 und das Aquarium-Projekt »Koyaanisqatsi Jetzt erst recht!« in den Mai 2021. Andere Neuproduktionen, die wie Shakespeares »Ein Sommernachtstraum« nicht herauskommen konnten, werden auf die Saison 2021/22 verschoben. Glück im Unglück in Zeiten von Corona: Die Sinfoniekonzerte des Staatsorchesters können nun doch eine weitere Spielzeit in der Stadthalle Braunschweig stattfinden, da die vorgesehene Schließung der Stadthalle zu Renovierungszwecken vorläufig verschoben wurde. Dort besteht sowohl für das Orchester als auch für das Publikum mehr Platzkapazität als im Großen Haus des Staatstheaters. Beim Umzug des JUNGEN! Staatstheaters in die neue Spielstätte im Lokpark hingegen bleibt es – die Eröffnung wird am 13. September mit der ersten Premiere »Clevergirl« gefeiert. Diese (ursprünglich angekündigt als »Ein neues Stück«) wie die folgenden zwei, »Fake Voices« und »DEMOCRISIS. (K)ein Ausweg«, sind ebenfalls verschobene Premieren.
Das Musiktheater
unter der Leitung von Isabel Ostermann startet im Großen Haus mit einer Neuproduktion von Ludwig van Beethovens »Fidelio« (Musikalische Leitung: Srba Dinić; Regie: Dagmar Schlingmann). Um den neuen Hygiene-Maßnahmen kreativ zu begegnen, wird eine besondere Fassung der Oper zu erleben sein, die auf einer Einrichtung von Wenzel Sedlák für Kammerensemble basiert und seinerzeit von Beethoven autorisiert worden ist. Es folgen zwei Frauen-Schicksale in Antonin Dvořáks »Rusalka« (ML: Christopher Lichtenstein; R: Dirk Schmeding) und Georg Friedrich Händels »Alcina« (ML: Christopher Lichtenstein; R: Ben Baur). Dabei knüpft »Alcina« an die Pflege der Barockmusik am Staatstheater Braunschweig in der Tradition des »Saul« (2013) und Vivaldis »Farnace« (2014) an. Mit Jake Heggies »Dead Man Walking« (ML: Christopher Lichtenstein; R: Florentine Klepper) findet eine Reihe von modernen Opern ihre Fortsetzung, die gesellschaftlich wichtige Themen behandeln und Beiträge zu bestehenden Diskursen liefern – wie zuletzt Weinbergs »Die Passagierin« und Eötvös´ »Angels in America«. Mit der Neuproduktion von Mozarts »Die Zauberflöte« (ML: Srba Dinić; R: Dagmar Schlingmann) gewinnt Braunschweig nicht nur einen Klassiker des Opernrepertoires für sein Programm, sondern auch ein Stück, das die Menschlichkeit diskutiert und fragt, auf welcher Grundlage, mit welchen Prinzipien wir miteinander leben und umgehen. Toshio Hosokawas Meisterwerk »Hanjo« (ML: Alexis Agrafiotis; R: Isabel Ostermann) erzählt ein weiteres Frauenschicksal – Hanako wartet jeden Tag vergeblich auf die Rückkehr ihres Geliebten. Im Kammermusical »The Last Five Years« von Jason Robert Brown (ML: Johanna Motter; R: Jessica Schauer) im Kleinen Haus prallen im Leben eines Künstlerpaares Vergangenheit und Gegenwart aufeinander, verkörpert von Sophia Gorgi und Markus Schneider, die zuletzt in »Chicago« begeisterten.
Das Schauspiel
unter Leitung der neuen Schauspieldirektorin Ursula Thinnes nimmt das Thema Zukunft in seiner ganzen Widersprüchlichkeit ins Visier: Vergangene, aber hochbrisante Visionen wie Shelleys »Frankenstein« (R/Bearbeitung: Michael Talke) und »Her: Olimpia« nach E.T.A. Hoffmanns »Der Sandmann« (R/Bearbeitung: Christoph Diem) über die Grenzen von Forschung und Künstlicher Intelligenz stehen neben »Pfisters Mühle: Ein Heimatverein« (R/Bearbeitung: Rebekka David), einer Adaption von Raabes Umweltskandal-Roman, und einer Theaterfassung von »Alles was wir geben mussten« des Nobelpreisträgers Kazuo Ishiguro (R/Bearbeitung: Felicitas Brucker) um drängende Fragen der Medizin und Ethik. Martina Clavadetschers Stück »Frau Ada denkt Unerhörtes« (R: Milena Mönch) blickt zurück auf die Visionärin des Computer-Zeitalters Ada Lovelace, ohne deren Errungenschaften unsere durchdigitalisierte Welt nicht denkbar wäre. »Des Teufels General« von Zuckmayer und »Der Prozess I« des Theaterkollektivs krügerXweiss um den Eichmann-Prozess greifen Themen wie Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus auf. Die ästhetischen Handschriften sind breit gefächert, einige Regisseur*innen wie Felicitas Brucker, Ulrike Arnold, Matthias Rippert oder Milena Mönch werden erstmals in Braunschweig arbeiten. Das Aquarium im Kleinen Haus verwandelt sich in der nächsten Spielzeit in eine analoge Spiel-und Forschungsstätte, das Analogicum. Hier wird untersucht, wie sich das Zusammenleben durch die Digitalisierung verändert hat und noch verändern wird.
Das Tanztheater
unter der Leitung von Gregor Zöllig widmet sich in der Spielzeit 2020/21 dem Mut, ohne den sich Zukunft und Aufbruch nicht denken lassen, und zeigt fünf Uraufführungen. Den Auftakt macht am 23. Oktober Gregor Zöllig mit »Die Zeit ist reif«, das Einsamkeit und Abgrenzung thematisiert und den Inhalt auf die Form überträgt: Ein Performance- und Tanz-Parcours durch Räume des Theaters provoziert durch das Vermeiden eines Aufeinandertreffens die Frage nach den Werten, Zielen und Motivationen der Gemeinschaften, in denen wir leben. Die spartenübergreifende Stückentwicklung zwischen Schauspiel und Tanztheater »Narben« unter der künstlerischen Leitung von Gregor Zöllig und Jörg Wesemüller liest Narben als Zeichen gewonnener Schlachten und überwundener Hindernisse und kämpft um die Schönheit des Beschädigten. Der dreiteilige Tanzabend »All You Need is Less« von den Choreo¬graf*innen Rainer Behr, James Wilton und Henrietta Horn beschäftigt sich mit der Frage, was wir wirklich brauchen. Zu Minimal Music von Philip Glass, John Adams und Steve Reich wird eine Bestandsaufnahme der Dinge vorgenommen. Dazu kommen zwei tanzwärts!-Projekte, die sich auf die Themen von »Die Zeit ist reif« und »Narben« beziehen – »Körper.Kontakt?« (C: Pauline de Laet und Tiago Manquinho) und »Leichtes Gepäck« (C: Gregor Zöllig und Ensemble).
Das JUNGE! Staatstheater unter der Leitung von Jörg Wesemüller geht in der neuen Spielstätte quasi mit Volldampf Richtung Zukunft und präsentiert sechs Premieren, davon vier Uraufführungen, sowie vier Konzertprogramme. Den Auftakt im Schauspiel macht Hartmut El Kurdis »Clevergirl« (R: Jörg Wesemüller), ein Stück über Geschlechterklischees, Superheld*innen und den Mut, so zu sein, wie man möchte. Die Uraufführung »Fake Voices« von Erich Lesovsky und Team verbindet Musiktheater und neue Technologien und erforscht, wie eine mögliche Zukunft des Musiktheaters in Zeiten der Digitalität aussehen könnte. Im immersiven Gameplay »DEMOCRISIS. (K)ein Ausweg« von Jules Buchholtz sind die Spielenden einem möglichen Zukunfts¬szenario ausgesetzt. Lewis Carrolls »Alice im Wunder¬land« ist das Familienstück zur Weihnachtszeit – eines der beliebtesten Werke der Weltliteratur, nicht zuletzt, weil es eine große Ode an die Fantasie ist – für die Bühne neu bearbeitet von Regisseurin Katharina Schmidt. In »Die Insel des Dr. Moreau« nach H. G. Wells verdichtet Regisseur und Musiker Markolf Naujoks den 1896 erschienenen, zivilisationskritischen Roman des Sci-Fi- und Horrorgenres mit Blick auf unsere Gesell¬schaft. Im tanz JUNG! schließlich beschäftigt sich Teresa Rotemberg in einer Stückentwicklung für Kinder ab 4 Jahren & Familien mit der Frage: Auf welche Zukunft steuern wir zu?
Das Staatsorchester
unter der Leitung von Generalmusikdirektor Srba Dinić präsentiert in der nächsten Saison zehn Sinfoniekonzerte und weitere Konzertreihen. Vergangene Zukünfte prägen den Zyklus »Avantgarde« des Staatsorchesters. Komponisten wie Schreker, Ligeti, Ravel, Strawinsky, Schulhoff, Gershwin, Foote, Antheil und Copland stehen neben Mozart, Brahms, Tschaikowsky, Mahler und Beethoven, deren Werke, neben vielen weiteren, zu erleben sein werden. Beethovens 9. Sinfonie eröffnet als überwältigende Menschheitsutopie das Jahr 2021 und setzt den Zyklus »Mythos 9. Sinfonie« fort. Erstmalig wird Generalmusikdirektor Srba Dinić, ein großer Liebhaber der russischen Konzertliteratur, Alexander Glasunows 8. Sinfonie in Braunschweig dirigieren. Als Gastdirigenten begrüßt das Staatsorchester Braunschweig u.a. Maurice Steger, Stefan Soltesz und Alexander Joel sowie hochkarätige Solist*innen, darunter Roman Simović als Artist in Residence.
»Die vergangenen Wochen und Monate waren für uns alle eine große Herausforderung«, so Dagmar Schlingmann und Verwaltungsdirektor Stefan Mehrens. »Jetzt freuen wir uns riesig auf den Herbst. Freuen uns vor allem auf unser Publikum, das uns so treu in den letzten Wochen begleitet hat. Es hat uns mehr als einmal gezeigt, wie solidarisch es zu seinem Theater in dieser schweren Zeit steht. Der direkte Kontakt hat uns sehr gefehlt, wir können es kaum erwarten, wieder Theater und Musik zu spielen.«
INFOS ZUM KARTEN VORVERKAUF
Achtung: der Vorverkauf für die Spielzeit 2020/21 startet in diesem Jahr erst am 22. August – sowohl im Freiverkauf als auch im Abonnement. Der Grund sind die mit der Corona-Pandemie einhergehenden Auflagen und Schutzmaßnahmen, die vor allem eine Reduzierung der Platzkapazitäten mit sich bringen. Eine Ausnahme ist die um ein Jahr in den Juli 2021 verschobene Burgplatz-Produktion »Madama Butterfly« – Tickets hierfür sind ab sofort erhältlich über: Kartentelefon +49 (0)531 1234 567 oder E-Mail besucherservice@staatstheater-braunschweig.de.
Quelle: PM