Ein Besuch im DSMZ
Hier tobt die Wissenschaft
Wussten Sie, dass es in Stöckheim den Science Campus Braunschweig-Süd gibt? Dass dort mehr als 1.000 Menschen aus Braunschweig, der Umgebung und der ganzen Welt arbeiten? Und hätten Sie gedacht, dass die vielfältigste und eine der größten Sammlungen an Mikroorganismen und Zellkulturen weltweit hier in Braunschweig zuhause ist?
Ein heimlicher Superlativ in der Nachbarschaft
Tatsächlich ist das alles wahr! Und wahr ist auch, dass kaum Jemand von der renommierten Sammlung mit einem Jahresetat von vierzehn Millionen Euro weiß. Aber erstmal von vorne. Der Anlass für meinen montäglichen Besuch in dem abgesicherten, modernen Gebäude auf dem Science Campus, auf dem auch die Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (kurz DSMZ) ihren Sitz hat, ist, neben dem Bestreben diesen heimlichen Superlativ in der Nachbarschaft bekannter zu machen, das 50-jährige Jubiläum der Einrichtung.
50-jähriges Jubiläum
Seit 50 Jahren wird hier alles was umgangssprachlich als das "was kreucht und fleucht" bezeichnet wird, erforscht, gesammelt und gezüchtet. Genauer gesagt sind es aktuell vier Professoren und ihre Arbeitsgruppen, die sich in ihrer Arbeitszeit mit der Vermehrung, Bestimmung, Lagerung und Zurverfügungstellung von Mikroorganismen wie Bakterien und Pilzen sowie von Zelllinien befassen.
Wozu braucht man das?
Zum Beispiel hat die DSMZ uns allen bzw. den Landwirten in Deutschlands größtem Tomatenanbaugebiet in Nordrhein-Westfalen entscheidend geholfen! Wie das? Ein, wie man nun weiß, eigentlich nur im Nahen Osten beheimateter Virus drohte nahezu die gesamte Tomatenernte zu vernichten. Die Wissenschaftler der DSMZ konnten den Virus, der im letzten Jahr erstmalig in Europa auftrat, rasch identifizieren. Mit den gewonnenen Erkenntnissen konnte eine weitere Verbreitung des Virus gestoppt und somit die Tomatenernte gesichert werden.
Welternährungsretter und Plastik-Bekämpfer im großen Stil
Und es wird noch besser: ich erfahre von zwei weiteren unglaublichen Forschungsprojekten, die kurz vor ihrem Durchbruch, bzw. ihrem Praxistest stehen. Das "Maniok-Projekt" wird als eines der ausgesuchten Projekte weltweit von der Bill & Melinda Gates Foundation mit rund 1,4 Millionen Euro unterstützt. Der Grund: es geht um Menschenleben, genauer gesagt um die Ernährungsgrundlage in einer Vielzahl von afrikanischen Ländern. Dort ist Maniok wie bei uns die Kartoffel. Ein plötzlicher Virenbefall sorgt dort aber aktuell für große Not in vielen Regionen, da nahezu alle Pflanzen und mit ihnen die nahrhaften Knollen eingehen. Die DSMZ ist nun maßgeblich daran beteiligt, eine gegen den Virus resistente Maniok-Art aus Südamerika zu erforschen, um diese in naher Zukunft ersatzweise auf afrikanische Äcker auszubringen. Die Testphase läuft bereits.
Auch brandaktuell und ebenso relevant ist die Forschung an Mikroorganismen (Kleinstlebewesen, die wir in mit bloßen Augen nicht erkennen wie Pilze, Bakterien und Viren), die im Stande sind, Mikroplastik zu zersetzen. Das hieße, wenn die Grundlagenforschung weiter gut läuft, wäre vielleicht ein natürliches Mittel gegen die enorme Plastikvermüllung der Erde, insbesondere der Ozeane, gefunden!
Wie trägt sich so ein Institut?
Träger der DSMZ ist das Land Niedersachsen. Das zur Leibniz Gemeinschaft gehörende Institut ist als gemeinnützig anerkannt und erhält neben staatlicher Förderung auch Forschungsmittel (sogenannte Drittmittel) von Stiftungen und Forschungsgemeinschaften. Einen Teil ihres Etats erwirtschaftet die DSMZ durch die Belieferung von wissenschaftlichen Instituten mit Bioressourcen selbst. Täglich gehen circa 100 Lieferungen an Forschungsinstitute und Lehreinrichtungen wie Universitäten aus mehr als 90 Ländern. Die Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen hat knapp 200 Mitarbeiter und wird seit 2018 von der dualen Spitze, bestehend aus dem wissenschaftlichen Direktor Prof. Dr. Jörg Overmann und der administrativen Geschäftsführerin Bettina Fischer, geleitet.
Wer arbeitet dort?
Das DSMZ-Team ist buntgemischt - von Professoren, über Laborantinnen und Studenten bis hin zu Servicemitarbeitern, Juristen etc. Auffallend hoch ist der Frauenanteil. Es gibt sogar ein Eltern-Kind-Büro auf dem Science Campus. Obwohl es sich um die weltweit vielfältigste Bioressourcensammlung handelt, wird hier hauptsächlich deutsch gesprochen.
Spülengel, Forscher-Ikonen und Marathon-Champions
Bei meinem Rundgang durch Lager voller Proben, gefriergetrocknet oder in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad Celsius, Labore und Büros bin ich von der entspannten und freundlichen Atmosphäre überrascht. Auf dem Flur fallen mir jede Menge Marathon-Urkunden der "Powerschnecken" mit ziemlich guten Zeiten auf. Aufgrund meiner Begeisterung habe ich direkt das Vergnügen, Professor Dr. med. Hans. G. Drexler persönlich kennenzulernen. Wie sich herausstellt einem oder vielleicht DEM größten Marathon-Champion Braunschweigs. Neben regelmäßigen Läufen mit Kollegen legt er sage und schreibe rund 24 Marathonläufe pro Jahr hin! Sports- bzw. Teamgeist ist hier wahrhaftig nicht nur eine Floskel. Pressesprecher wie Professoren schildern, wie wichtig jeder Einzelne hier ist. Die Forscher, genauso wie die Spülkräfte oder die Damen in der Poststelle. Und so werden sie auch behandelt. "Man kann sich hier entfalten" berichtet Dr. Christine Rohde mit einem Lächeln, die gerade dabei ist Phagen (Bakterien fressende Viren) zu erforschen, die als DIE Antibiotika-Alternative bei der Bekämpfung der schlimmsten, multiresistenten Krankenhaus-Keime gehandelt werden. Wieder ein Mammutprojekt, dessen Erfolg unzählige von Menschenleben retten würde.
Mein Fazit
Es muss sich nicht Jeder für Bakterien und Viren begeistern, aber das Wissen um die international bedeutsame Arbeit der DSMZ sollte zumindest für jeden Braunschweiger und Bewohner/in der Region ein weiterer Grund sein, auf seine Heimat stolz zu sein. Kinder und Jugendliche haben jederzeit die Chance die Arbeit in der DSMZ am Zukunftstag oder bei Schul- und Uniprojekten kennenzulernen (ACHTUNG: der diesjährige Zukunftstag ist bereits restlos ausgebucht).
Ein wichtiger Nachtrag zum Schluss: die DSMZ ist keine Anlaufstelle für Patienten oder private Anfragen, sondern ein Forschungsinstitut! Sie eine global in dieser Vielfalt und Größe einzigartige Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen für andere Forschungseinrichtungen.
Weitere Infos finden Sie unter www.dsmz.de
Ein Beitrag von Kathrin Rieck für BS-Live!