Rezession der regionalen Wirtschaft droht
Die Unternehmen blicken mit großen Sorgen in die Zukunft
Die Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg blicken mit großen Sorgen in die Zukunft. Die gestiegenen Preise für Energie, Vorprodukte und Rohstoffe belasten die Geschäftslage zunehmend und hinterlassen erste Bremsspuren in der wirtschaftlichen Entwicklung. Gleichzeitig gerät die Nachfrage im In- und Ausland ins Stocken. Von der negativen konjunkturellen Entwicklung sind mittlerweile alle Wirtschaftsbranchen erfasst, sodass im bevorstehenden Winter eine Rezession droht. Die wirtschaftliche Entwicklung wird in entscheidendem Maße von der Entwicklung der Gas- und Strompreise und der Sicherstellung der Gasversorgung überhaupt abhängig sein. Ab einer Drosselung der Gaslieferung um 10 Prozent ist jedes zehnte Industrieunternehmen zur Einstellung seiner Produktion gezwungen, wie sich aus dem gemeinsamen Konjunkturbericht der IHK Braunschweig und der IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) für das dritte Quartal 2022 ergibt.
Nach der jüngsten IHK-Umfrage ist der Konjunkturklimaindikator im dritten Quartal mit einem Stand von 72 um 14 Punkte gefallen. Dieser Rückgang fällt erneut so stark aus, wie kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und betrifft alle befragten Wirtschaftsbranchen. Der Konjunkturklimaindikator für den Großhandel ist mit 23 Punkten am stärksten auf einen Wert von 68 gefallen. Den niedrigsten Indikatorstand mit einem Wert von 36 hat der Einzelhandel vorzuweisen, der schon länger unter der massiven Kaufzurückhaltung der Konsumenten leidet. Im Dienstleistungsbereich gab der Konjunkturklimaindikator auf einen Stand von 75 nach. Der Abwärtstrend dieser drei Branchen ist im Wesentlichen durch die Verunsicherung über die eigenen Geschäftsaussichten zu begründen. Der Klimaindikator für die Industrie ist um 18 Punkte auf einen Tiefstand von 79 eingebrochen – aufgrund gesunkener Auftragsvolumina werden in der heimischen Industrie negative Auswirkungen in der aktuellen Geschäftslage sichtbar.
Nur noch 24 Prozent beurteilen die eigene Lage als gut
Die seit mehr als einem Jahr anhaltende Verschlechterung des regionalen Konjunkturklimas ist nicht mehr nur auf die Sorgen der Unternehmen über die zukünftige Geschäftsentwicklung zu begründen, da sich mittlerweile auch eine Verschlechterung der aktuellen Geschäftslage stärker abzeichnet. So beurteilen nur noch 24 Prozent der befragten Unternehmen die eigene Lage als gut, 7 Prozent weniger als im Vorquartal. Mit 20 Prozent ist der Anteil an Unternehmen mit aktuell schwieriger Situation fast genauso hoch. Von zufriedenstellenden Geschäften berichten zurzeit noch 56 Prozent der Unternehmen. Die Geschäftserwartungen der regionalen Wirtschaft in den kommenden zwölf Monaten, die bereits im Frühjahr nach Ausbruch des Russland-Ukraine-Krieges stark eingebrochen waren, haben sich erneut verschlechtert. So gehen im Herbst nur noch 37 Prozent der Unternehmen von einem gleichbleibenden und 6 Prozent von einem besseren Geschäftsverlauf aus. Mit 57 Prozent rechnet die überwiegende Mehrheit mit einer ungünstigen Entwicklung.
Die trübe Stimmungslage der regionalen Wirtschaft, die bisher hauptsächlich von den Folgen der Coronapandemie, den Lieferengpässen und dem Arbeitskräftemangel bestimmt waren, wird nun deutlich von Risiken steigender Energiepreise und befürchteter Versorgungsengpässe von Gas und Strom dominiert – 87 Prozent der befragten Unternehmen sehen hier das höchste Risiko ihrer zukünftigen Geschäftsentwicklung. Daher sehen sich aktuell 16 Prozent der Unternehmen zu einer Reduzierung unrentabler Produktion gezwungen, während die Hälfte noch mit Energieeinsparmaßnahmen reagieren kann. Rund 55 Prozent der befragten Unternehmen versuchen die gestiegenen Energiekosten zum Großteil an die Kunden weiterzureichen, was sich allerdings negativ auf den Absatz auswirkt. Im Falle der Feststellung der „Notfallstufe“ im Rahmen des Notfallplan Gas und einer Drosselung der Gaslieferung an die Industrie drohen Produktionsstilllegungen. Bei einer Drosselung um 10 Prozent müsste jeder zehnte Produktionsbetrieb stoppen.
Entlastung bei den Energiepreisen dringend notwendig
„Die Unternehmen müssen dringend von den enormen Energiepreisen entlastet werden, um eine drohende Rezession abzuwenden“, sagt IHKLW-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert. „Dazu müssen die Vorschläge der Kommission Erdgas und Wärme zügig umgesetzt werden, insbesondere müssen die Energiekostenzuschüsse aus dem dritten Entlastungspaket auf Branchen zusätzlich zur Industrie ausgeweitet werden. Weitere preisdämpfende Effekte gilt es bei den Stromkosten zu erzielen. Hierfür sind alle kurzfristig zu reaktivierenden Kraftwerkskapazitäten ans Netz zu bringen, um im Winter eine sichere Stromversorgung gewährleisten zu können“, betont Zeinert. Gleichzeitig müssten alle Anstrengungen zur Energieeinsparung und Effizienzsteigerung verstärkt werden. „Eine Gasmangellage und die Einstellung der Industrieproduktion wären für unsere Wirtschaftsregion, dem industriellen Herz Niedersachsens, mit verheerenden Auswirkungen verbunden. Daher gilt mehr denn je: Jede Kilowattstunde zählt“, so der IHKLW-Chef.
„Das erreichte Ausmaß existenzbedrohender Herausforderungen für die Wirtschaft erfordert jetzt ein schnelles und entschiedenes Handeln. Dabei sind die Auswirkungen auf das gesamte Spektrum der Wirtschaft zu berücksichtigen, um weitere negative Folgeeffekte zu verhindern. Hierzu zählt dringend auch der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien und leistungsfähiger Stromnetze“, kommentiert Dr. Florian Löbermann, Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig, die aktuellen Umfrageergebnisse. „Außerdem fordern wir angesichts der energiewirtschaftlichen Krise ein Belastungsmoratorium für die Wirtschaft, wenn es um zusätzliche Belastungen durch bürokratische Anforderungen für die Unternehmen geht. Exemplarisch sei der Verzicht auf weitere Bürokratiebelastungen durch Berichtspflichten und Genehmigungsverfahren aufgrund neuer Gesetze wie dem deutschen Lieferkettengesetz oder beim derzeit diskutierten Recht auf Reparatur genannt“, so Löbermann.
Den vollständigen Konjunkturbericht mit weiteren Daten, Grafiken und Erläuterungen finden Sie ab Montag auf unserer Homepage unter https://www.ihk.de/braunschweig/
Quelle: PM 21.10.2022