Das Protohaus
„Hort für Knowhow“ & „technisches Klassenzimmer“
Wer Lust auf einen 3D-Druck, eine stylishe Handtasche, ein Surfbrett, neue WG-Möbel oder den Bulli-Ausbau für die nächste Weltreise hat, ist hier bestens aufgehoben!
Schon die Lage ist bezeichnend. Zentral, in der Nähe der Uni, mitten im sogenannten Gründerquartier am Rebenring. Hier gibt es neben vielen Agenturen und lokalen Unternehmen wie Heimbs Kaffee Raum für das Protohaus - Braunschweigs erste, einzige und Niedersachsens zweite „Ideenschmiede“. Das Vorbild ist schon beim Betreten der Eingangshalle nicht zu übersehen. Modernes, provisorisches, aber doch versiertes Interieur mit verstreuten MacBooks an schlichten Arbeitstischen lassen einen Wind von Startups und Silicon Valley herüberwehen. Und richtig - im Gespräch mit Gründer Chris Töppe und Mitarbeiterin Inga Stang erfahre ich, dass die Vorbilder für das Protohaus, das „Fablab“ (Fabrication Laboratory) vom U.S.-amerikanischen MIT Center for Bits and Atoms in Cambridge stammen. Inzwischen sind Fablabs wie das Protohaus Teil einer globalen Bewegung. Alle Fablabs sind von der Community auf einer globalen Karte verzeichnet https://www.fablabs.io/labs/map. Das erste seiner Art in Deutschland eröffnete im Dezember 2009 in Aachen. Neben dem Protohaus in Braunschweig gibt es in Niedersachsen noch das „Hafven“ in Hannover.
Gleich am Eingang, direkt neben der einladenden Sitzecke aus Palettensofas, fallen mir extravagante Lampenmodelle und Schalen aus alten Schallplatten ins Auge. Bei einem Rundgang bin ich nicht nur beeindruckt von 3D-Druckern, und gigantischen Hallen voller Maschinen für Werkstoffe von Beton, über Textilien, Metall bis zu Kunststoff, sondern besonders von der engagierten Art und dem Knowhow der Gründer und Mitarbeiter. Die Stimmung ist ruhig, unaufgeregt. Leute gehen aus und ein, werkeln und tüfteln vor sich hin. Ein paar Jungs haben sich heute vorgenommen eine Kiste T-Shirts zu bedrucken.
Hier werden Designerlampen kreiert, Schränke gezimmert oder sich der Bully für den nächsten Trip ausgebaut. Da bekommt man sofort Lust mitzumachen. Das Gute: es kann Jeder! Anfänger gibt es hier nicht. Das heißt, Jeder, egal wie qualifiziert, macht einen Einsteigerkurs für den gewünschten Bereich. Danach geht es darum, sich mit anderen zu vernetzen und Wissen auszutauschen. Im Interview erfahre ich von Chris und Inga die Hintergründe und wie das Ganze genau funktioniert:
BS-LIVE!: Seit wann gibt es euch in Braunschweig?
Protohaus (Inga): uns gibt es jetzt seit April 2016, also ungefähr zweieinhalb Jahre.
BS-LIVE!: Wie seid ihr auf die Idee gekommen?
Protohaus (Chris): Frithjof Hansing (der andere der beiden Gründer) und ich haben hier in Braunschweig Maschinenbau studiert. Dabei hat uns immer der Praxisbezug gefehlt. Wir hatten immer Lust Dinge zu basteln und zu werkeln und waren voll von kreativen Ideen und diese umzusetzen. Da es Uni keinen Platz dafür gab, habe ich irgendwann mein WG-Zimmer zu einer kleinen Werkstatt ausgebaut. Bei meinen Recherchen bin ich dann auf das FABLAB-Konzept oder „Makerspace“-Konzept aus den USA gestoßen. Das hat damals ein MIT-Professor erfunden, um seinen Studenten eben genau diese Praxismöglichkeiten zu bieten. Ein freier Raum mit Maschinen zur freien Verfügung und ein paar Regeln, wie zum Beispiel, dass man Wissen teilt; sich hilft und das ganze dokumentiert. Und siehe da: aus dieser „Ideenschmiede“ sind dann zahlreiche Startups hochgeschossen, von denen einige inzwischen sogar Weltmarktführer sind. Und da wussten wir, dass Braunschweig und die TU genau so etwas brauchen.
BS-LIVE!: Wie funktioniert denn ein Fablab oder euer Fablab jetzt genau?
Protohaus (Inga): wir sind ein gemeinnütziges eigenständiges Unternehmen in Kooperation mit der TU Braunschweig. Unsere Basis sind Ehrenamtliche aus ganz unterschiedlichen Bereichen (Geisteswissenschaft, Ingenieurswesen, viele Lehrämtler). Ganz wichtig ist, dass wir keine Dienstleister sind, sondern wir leiten Menschen an, selbst an den Maschinen zu arbeiten und so ihre Projekte zu verwirklichen. Wir bieten den Raum mit Maschinen an, aber auch Workshops zur Weiterbildung sind ein wichtiger Part. In Seminaren und Workshops wie der „Digital Academy“ kann zusätzlich Wissen über Material, Techniken und Maschinen vertieft werden. Upcycling ist auch ein großes Thema bei vielen Projekten. Viermal im Jahr laden wir zu einem „Upcycling-Wochenende“ ein.
BS-LIVE!: Wie finanziert sich das Protohaus?
Protohaus (Inga): neben der Kooperation mit der TU Braunschweig finanzieren wir uns über Mitgliedsbeiträge, Stiftungen und Sponsoren.
BS-LIVE!: Wer zählt zu euern Hauptkunden?
Protohaus (Chris): auf alle Fälle Studenten und Schüler. Aber auch viele Hobbybauer, Startups und Architekten sind hier vertreten. Hier arbeiten Zimmermänner und Architekten genauso wie Laien.
BS-LIVE!: Wieso bieten Schulen oder Unis so etwas nicht an?
Protohaus (Inga): da fehlen einfach die Kapazitäten personell und auch räumlich. Und Lehrer können auch nicht in jedem Fach- und Materialbereich ausgebildet sein. Wir sind die perfekte Ergänzung zu Schulen und Unis, indem wir die „Praxislücke“ schließen. Bildung für Studenten, Schüler und die Bürgerschaft steht im Zentrum unserer Arbeit. Unser Ziel ist, das „technische Klassenzimmer“ zu sein und vor allem digitale Techniken nahezubringen.
BS-LIVE!: Wie läuft das genau ab, wenn ich jetzt vorbeikomme. Was zahle ich dann?
Protohaus (Inga): es gibt mehrere Varianten. Generell machen alle zuerst den Einsteigerkurs, nachdem man dann für den gewünschten Bereich freigeschaltet ist. Für alle weiteren Schritte und Kosten ist entscheidend, wie groß mein Projekt ist. Handelt es sich um ein Tagesprojekt, lohnt sich der Tagespass für 10 Euro. Bei allen Projekten über drei Tage empfehlen wir die Mitgliedschaft für 35 Euro im Monat (ermäßigt 25 Euro) im Monat. TU-Studenten dürfen hier natürlich kostenfrei arbeiten. Je nach Materialart und Menge setzt sich dann der Preis zusammen. An einigen Maschinen rechnen wir Minutenpreise ab. Das funktioniert alles sehr gut und ist am Ende natürlich immer noch ungleich günstiger - wenn man überlegt, wie teuer allein die Maschinen sind.
BS-LIVE!: Welche Projekte werden häufig gemacht?
Protohaus (Inga): viele Studenten nutzen die Holzwerkstatt, um sich zum Beispiel maßgeschneiderte Möbel für ihre Wohnung zu bauen. Aber es wird wirklich von A bis Z alles gemacht. Von kleinen Figuren im 3D-Drucker, über ganze Schrankwände, Betten, ein Auto-Modell, Lautsprecher und mindestens einmal im halben Jahr baut sich jemand einen Bulli aus! Viele Architekten bauen hier ihre Modelle. Startups nutzen viel Beton für zum Beispiel Lampen mit Betonfüßen und für Prototypen. Im Elektrotechnikbereich werden Handys repariert – also alles querbeet.
BS-LIVE!: Halten ihr Vorträge an der Uni?
Protohaus (Inga): Wir haben bislang eine externe Lehrveranstaltung einmal im Monat „Design thinking“, wo sich dann die Teilnehmer im Anschluss eigene Dinge bauen können. Aber eigene Lehrveranstaltungen haben wir bislang nicht. Unser erklärtes Ziel ist aber, den Bereich der Lehre noch stärker auszubauen. Die Zusammenarbeit mit Lehrkräften ist eines unserer größten Standbeine. Da sind wir auch sehr flexibel mit Kosten und Zeiten.
BS-LIVE!: Verkauft ihr auch Sachen?
Protohaus (Inga): Nein. Unseren Mitgliedern ist es freigestellt ihre Sachen zu verkaufen. Sobald es aber einen kommerziellen Punkt erreicht, werden die Kosten angepasst. Häufig haben wir an der Siebdruckanlage Künstler, die T-Shirts bedrucken und weiterverkaufen. Aber das hält sich zahlenmäßig noch in Grenzen.
BS-LIVE!: Seht ihr einen Trend nach oben?
Protohaus (Inga): Ja auf jeden Fall. Es freut uns sehr, dass man immer mehr Zuwachs und Interesse merkt. Es scheint sich weiter herumzusprechen.
BS-LIVE!: Welche Message habt ihr an die Braunschweiger?
Protohaus (Inga): Kommt vorbei! Ihr seid alle Willkommen. Wir suchen auch jederzeit nach ehrenamtlichen Mitarbeitern - egal aus welchem Bereich. Wir freuen uns auf Euch.
Vielen Dank für die spannenden Einblicke!
Ein Beitrag von Kathrin Rieck für BS-LIVE!