Kenny kriegt die Krise - Urlaubskrise
Kenny kriegt die Krise - Urlaubskrise
Das erste Mal seit drei Jahren ist es wieder so weit. Urlaub! Zumindest so richtig. Es geht in den Süden (weiter als München) an den Strand (nicht die Elbe) und in die Wärme (mehr als 20 Grad).
Ich hatte schon fast vergessen wie es ist, am Flughafen zu sitzen und auf einen Flieger zu warten, der einen von der Arbeit wegbringt, und nicht umgekehrt. Privat unterwegs und mit der Destination Relaxation, nehme ich seltsamerweise automatisch vieles in Kauf, dass mir auf einem Geschäftsflug schnell die Weißglut auf der Stirn und stundenlange Beschwerdegespräche mit irgendwelchen inkompetenten Fluglinienservicekräften einbringen würde.
Offensichtlich hat die Aussicht auf ein paar erholsame Tage, in angenehmer Begleitung, nicht auf jeden Menschen denselben Effekt wie auf mich. Insbesondere bei jungen Eltern stellt man häufig einen signifikant erhöhten Stresslevel fest. Wahrscheinlich ist es bei diesen Exemplaren der krasse Unterschied zum vorherigen, stressärmeren allein-verreisen, der leicht Unmut und Frustration aufkommen lässt, beispielsweise wenn das Kleine nicht so auf die Luftkrankheitstabletten reagiert wie es sollte und die frischgebackenen Erziehungsberechtigten schmerzlich feststellen müssen, wie schnell die Standardkotztüte auf Charterflügen an Ihre Grenzen stoßen kann. Besonders wenn dem Nachwuchs vor dem Flug, ausnahmsweise neben der Juniortüte auch noch einen McFlurry mit Smarties erlaubt wurde. Ich denke auch, die bisher höchstens von abstrakten Gemälden bekannte Farbwelt, die sich nun überraschend auf Papas weißem Leinensakko wieder fand, trug dabei wenig zur Eskalation bei.
So manche kleine Unausgeglichenheit mag man sicher auf mangelnden Schlaf oder beruflichen Stress schieben. Beispielsweise wenn die junge Mutter kurz nach dem Start mit der Scheidung droht, weil Ihr Angetrauter ja wohl eindeutig der Stewardess permanent auf die Titten glotzen würde. Der Wohl aus Verlegenheit entstandene Vorwurf der paranoiden Schizophrenie, als Antwort des hier offensichtlich entlarvten Mannschweins, katapultierte die Mutter direkt empor zur nächsten Wutstufe.
Bei lautstarker Androhung des sofortigen Verlassens des Raumes, aufgrund unüberwindbarer persönlicher Differenzen, trat schnell das Flugpersonal, mit der energischen Forderung, doch bitte den Nothebel am Ausgang loszulassen, auf den Plan. Nachdem man die junge Frau, nur mit Hilfe des stämmigen Copiloten, händisch vom Bearbeiten der Ausstiegsluke hatte abbringen können, patrouillierte diese nun im Stechschritt den Gang auf und ab. Offensichtlich auf der Suche nach Ihrem Handgepäck, durchbrachen immer wieder Wortfetzen wie "Scheidungsanwalt", "Sorgerecht" und "Kastration" aus dem Munde der Aufgebrachten, das allgemeine echauffierte Gemurmel. Ich hatte zwischenzeitlich das Mittagessen serviert bekommen und genoss mittlerweile bereits mein drittes Charterflugfreibier. Hier mag der Grund liegen warum mich das menschliche Drama, das sich nur eine Sitzreihe weiter abspielte, weniger emotional als viel mehr analytisch beschäftigte.
Ich bilde mir immer wieder ein, die Frauen ein wenig zu kennen und zu verstehen. In Situationen wie dieser wird einem jedoch schnell wieder klar, das diese Aussage höchstens zu vergleichen ist, mit der eines Astronauten, er würde das Weltall gut kennen. Immerhin war er ja schon einmal halb bis zum Mond und zurück gereist.
Auf einer anderen Ebene wende ich dieses Bild wiederum gerne auch auf mich selber an. Auch wenn niemand, jemals das ganze Universum kennen zu lernen vermag, vielleicht reicht es ja auch für den Anfang, den eigenen Trabanten etwas besser zu kennen um die Wogen und Täler der Gezeiten ein wenig besser im Griff zu haben. Den richtigen Ansatz hatte schließlich auch der junge Vater in meinem Mallorcabomber. Oberstes Gebot: Ruhe bewahren und den Nachwuchs in den Griff kriegen. Ein bisschen Ruhe, ein Vodka Tonic und ein "Ich liebe Dich" wirken oft Wunder. Ich nahm mir ein Beispiel und versicherte sogleich meiner eigenen Begleitung, in ähnlicher Situation ebenso verständnisvoll den Urlaub zu retten. Was den Nachwuchs angeht, haben wir uns aber doch geeinigt, es zunächst ausschließlich bei der intensiven Vorbereitung auf den Ernstfall zu belassen. Übung macht schließlich immer noch den Meister.
Text: Hendrik Menz (hendrik@menzmusic.com)