Kenny kriegt die Krise - Übergangskrise
Kenny kriegt die Krise - Übergangskrise
In diesem Jahr gab es nicht nur einen tollen Sommer, sondern auch mit Abstand den längsten Herbst den ich je erleben musste. Jaja, der Herbst, so oft besungen und bedichtet, seiner schönen Farben und genereller Goldigkeit wegen. Persönlich habe ich andere Lieblingsjahreszeiten. So um die drei um genau zu sein.
Da wäre zunächst der Winter, in dem das Fest der Liebe gefeiert wird, alle Kinder glücklich und alle Menschen friedlich beieinander sind. Außer beim Einkaufen am Heiligabend natürlich, wo das einzige harmonische, die kollektiven Stoßseufzer sämtlicher genervter Kassiererinnen sind.
Danach kommt der Frühling, der Lenz, Zeit des Sprießens, Wachsens und Gedeihens. Das Einzige was nicht mehr so gedeiht, sind Beziehungen, denn kaum sprießt die Minirockquote auf den Straßen in die Höhe, wachsen auch die Hormonlanzen wieder wild und machen den winterlichen Kaminpartner schnell vergessen. Keine Saison kennt mehr Trennungen, denn ganz Paris träumt von der Liebe! Verlieben kann man sich aber leider nur wenn man nicht schon verliebt ist, also husch abgelegt den alten Hut.
Schön, dass dann der Sommer naht und eine Strandparty die nächste jagt. Man ist umtriebig und wer sich im Frühling nicht gleich und vor allem nicht in die oder den Richtigen verknallt hat, bekommt am Ballermann die zweite Chance. Wer schneller trinkt ist früher breit, hilfreich beim Erkennen des Traumpartners, und vor allem dem Versuch denjenigen vom unumstößlichen Füreinander-Bestimmt-Sein zu überzeugen, ist diese gepflegte Breitheit ebenso wenig, wie das von edlem Feinripp geformte weiß-rote Oberkörpermuster. Doch aller Hautkrebs-Erregung und gescheiterter Flirtversuche zum Trotz fliegt man auf den Schwingen einer UV- induzierten Euphorie zurück gen Heimat und ahnt nichts Böses. Noch nicht.
Schon bald werden die Tage nun kürzer, es regnet ziemlich viel und die Temperaturen sind weder Fisch noch Fleisch. Irgendwo zwischen Tanktop und Rollkragen macht man sich aus der Tür, nur um Stunden später entweder steif gefroren oder finnisch sauniert zurückzukehren. Der Regen kommt jetzt immer öfter und die Temperaturschwankungen sind weiterhin abenteuerlich, allerdings auf einem Niveau von nun insgesamt zehn Grad weniger.
Auftritt meines Lieblingskleidungsstücks, der Übergangsjacke. Niemand weiß so recht was genau mit diesem "Übergang" genau gemeint ist, aber jeder hat mindestens drei davon. Da wäre die Lederjacke, nicht gefüttert aber imprägniert. Dann das Blouson, leicht gefüttert, eher nicht imprägniert, dafür gerne in Pastelltönen. Und schließlich die Moderne. Sie sieht jedes Jahr anders aus, hat aber die unfassbare Eigenschaft nur zwölf Monate nach Anschaffung, noch viel unansehnlicher anzumuten als alle ihre Kelly Osbourne- Karl Dall- Ferris MC- hässlichen Vorgänger zusammen.
Der wach gebliebene Leser fragt sich an dieser Stelle, was das Alles auch nur im Geringsten irgendwas mit irgendwem oder irgendwo zu tun habe. Die Antwort jedoch liegt auf der Hand: Gar nichts. In letzter Konsequenz ist dies MEINE Kolumne und ich schreibe nun mal von was auch immer MIR beliebt, Punkt, Komma, Ausrufezeichen! Hier und jetzt überlasse ich eben mal zur Abwechslung meiner femininen Seite das Feld. Passiert selten genug.
Kleidung, neudeutsch "Mode" oder gar "Couture", im Allgemeinen, aber Jacken ganz im Speziellen, sind mein Liebstes. So wie Britney und Paris Unterwäsche oder Tokio-Bill männliche Verhaltensmuster meiden, so unterdrücke ich instinktiv jedwede Selbstkontrolle, wenn es darum geht mich oben und außen rum neu einzukleiden. Ob Jeans, Leder, Cord, Nubuk, Seide oder Samt, die glorreichste und kleidsamste aller Herrenoberbekleidungen, der Alltagssmoking, die Neuzeit-Toga, das 21st- Century- Fell, sie sind es, die mein Herz und meinen Kreditkartenrechnung höher schlagen lassen.
Meine, mittlerweile immerhin zwei Drittel des Flures vereinnahmende Garderobe, umfasst in etwa die Auswahl zweier Etagen eines mittelgroßen Kaufhauses. Jeglicher Stoff, fast jede Form und Farbe fand hier schon ihre Neue Heimat, bis auf das der Mottenbefall uns trenne. Übertroffen wird diese bunteste Vielfalt, die mit Leichtigkeit Noah und seiner armseligen Nussschale eine beschämte Röte ins Gesicht getrieben hätte, höchstens noch von dem, unter den Kleiderbügeln arrangierten, Arsenal an Turn- und Freizeitschuhen, natürlich in passenden Farben. Farblich abgeglichene Outfits sind immerhin Pflicht für den Mann von Welt. Gleich nach Porsche und UMTS Handy.
Meine Freundin macht sich lustig über mich weil ich derzeit angeblich mehr passende Kombinationen besitze, als seinerzeit Ludwig der Vierzehnte, aber das ist mir egal. Ganz besonders morgens, wenn ich mir wieder etwas Schönes aussuche und den Gehweg vor meiner Haustür zum Pariser Catwalk metamorphorisiere.
Das einzige was mir noch etwas abgeht, ist die dazu passende, derzeit leider immer noch so angesagte "äthiopische Taille". Im Moment bewege ich mich eher noch im Mops- als im Modelmaß, also suboptimal um meine Lieblingsstücke adäquat zur Geltung zu bringen. Andererseits macht koksen und kotzen den Tag alleine auch nicht immer so rund, wie mich meine Vorliebe für Pasta mit Sahnesauce. Was tut man also. Man begnügt sich mit dem was man hat und einem in letzter Konsequenz auch niemand nehmen kann:
Stil, Finesse und ein paar schnuckelige Rettungsringe.
Text: Hendrik Menz (hendrik@menzmusic.com)