Kenny kriegt die Krise - die Bobokrise
Kenny kriegt die Krise
Die Bobokrise
Jeder gemeine Schreiberling, von der Romanautorin, die gerade ihre neueste Geschichte über den nervigsten aller Zauberlehrlinge auf das mitgereifte Fanpotential zurechtbiegt, über den kleinen Boulevardredakteur, der versucht aus den belanglosesten Informationen über noch belanglosere Seifenoper- Schauspieler- Imitatoren einen Aufmacher für ihr Regenbogenblatt zu zaubern, bis hin zum Kolumnisten auf der letzten Seite eines Stadtmagazins, sie alle haben mit dem einen großen Problem zu kämpfen, das kreativitätsbremsende Damoklesschwert, das da heißt: Redaktionsschluss!
Hier sitze ich nun, an diesem wunderschönen, sonnigen Freitagnachmittag und sollte eigentlich Hand in Hand mit meiner wunderschönen Freundin den Elbstrand auf und ab schlendern. Stattdessen starre ich von einem mittleren Koffein-High bedröhnt auf meinen TFT Monitor und finde einfach nicht den richtigen Ansatz meiner kleinen aber nichtsdestotrotz hochgeschätzten Leserschaft das übliche highlightgespickte Pointengewitter zu bereiten das sie von mir berechtigterweise erwartet. Mentale Blockade, der absolute Albtraum eines jeden Kreativen.
Eine ähnlich erschreckende, wen auch leicht surrealere Erfahrung, nämlich die Konfrontation mit der musikalischen Vergangenheit ließ mich vergangene Nacht erschaudern.
Es geschah der Rückfahrt von einem Promotion Auftritt in einem riesigen Einkaufszentrum, oder Mall wie man neudeutsch so schön sagt. Von wegen "neudeutsch", Anglizismen sind Bullshit, das weiß doch everybody!
Wer sich jetzt über den letzten Satz wundert möge sich dazu angehalten fühlen weiter zu lesen, darauf komme ich gleich zurück.
Die Fahrt ging zurück durch die, mir persönlich doch leider immer noch ein wenig zu neuen Bundesländer, und nahm nur schleppend ihren Lauf, als eine CD mit "Partyhits" den Weg ins Autoradio fand. Mürrisch aber nicht grundsätzlich abgeneigt harrte ich der Dinge die da also kommen sollten. Eine bunte Titelauswahl von "Groove is in the Heart", über "Ladies Night" und aktuelleren Gassenhauern wie "Call on meeeeeeeee" oder "San- Fran- Cisco", ließ mich mal mehr mal weniger beschwingt den Fuß mitwippen oder gar die eine oder andere Textzeile Lip- singen. Dann passierte es.
"Everybody".
Interpretiert von einem mittelalpinen, selbsternannten Tänzer schrägstrich Rapper. Man weiß eigentlich nicht genau was von beidem eigentlich weniger auf diesen sehr spärlich frisierten Mann zutrifft, immerhin legt er das Bewegungstalent eins beflohten Hinterhofköters an den Tag und seine "Sprechgesang-Skillz" lassen im direkten Vergleich selbst Olli P. noch wie den deutschen Dr. Dre aussehen. Erschütternd ist als Wort in seiner Tragweite also lange nicht ausreichend für das Maß an musikalischem Unvermögen das diesem Eidgenossen in die Wiege gelegt wurde. Fest steht, der Name "Bobo" beschreibt nach wie vor einen Clown, ganz egal was dieser persönlich meint als Berufsstand angeben zu müssen.
"Everybody".
Diese, im gesungenen Teil von einer talentierten Studiomusikerin aufgepeppte Sommer Sonne-, Sonnenschein- Straftat, schaffte es tatsächlich die gesamte Besatzung meines Kleinbusses in einen kollektiven Rauschzustand zu treiben, in der nicht nur sektenartig der strophenlange Refrain mitgegospelte wurde, nein, nein, einer der männlichen Insassen auf dem Rücksitz mutierte kurzzeitig sogar zu einer textsicheren Bobo- Rap- Maschine. Da ich als einziger Inhaber seiner geistigen Gegenwart das Fahrzeug auf der Straße zu halten hatte, war es mir jedoch leider zu riskant einen Blick in den Fond zu werfen, um in einem späteren Verfahren den Alpen- Homeboy namentlich anprangern zu können.
Nur Sekunden nach diesem furchtbaren, für mich höchst traumatischen Ereignis, wies ich die Anderen, die offensichtlich minutenlang unzurechnungsfähig gewesen waren, subtil darauf hin, welch Mark und Bein erschütterndes Schauspiel sich gerade direkt vor meinen Augen und, noch viel bedauernswerter, auch unmittelbar vor meinen Ohren zugetragen hatte.
Statt der von mir erwarteten Entrüstung und einer endgültigen Abschwur von jeder Art von bewusstseinsverändernden Drogen, kam das, womit niemand hätte rechnen können:
<<.
>.
"Everybody".
Inzwischen geht es allen Beteiligten wieder ganz gut. Hier und da, und ganz besonders bei den Ordnungskräften, brandeten kurz Bemerkungen auf, die Begegnung mit dem Autobahnbrückenpfeiler hätte nicht wirklich zwingend sein müssen, aber was hätte ich denn tun sollen, verdammt noch mal?!
Es waren doch Unschuldige in Gefahr!
Text: Hendrik Menz (hendrik@menzmusic.com)