Kenny kriegt die Krise - Dezemberkrise
Kenny kriegt die Krise - Dezemberkrise
Wer sich auch nur dunkel erinnern kann, wann, wo und wie er zum aller ersten Mal eine Krise gekriegt hat, verdient in meinen Augen den Goldenen Gedächtnisnobelpreis am Band. Ich selbst kenne diesen ungehaltenen Zustand über das Verhalten und die Meinungen anderer Menschen, bei dem man manchmal gar komplett an der gesamten Rasse und deren vermeintlich evolutionär gerechtfertigten Überleben auf diesem Planeten zweifeln mag, bereits länger als ich denken kann. Denke ich...
Noch länger gibt es die Evolutionsannahme im Sinne des "Survival of the Fittest , also der von Charles Darwin begründeten Theorie, dass diejenige Spezies, die am Besten in der Lage ist sich Ihrem Lebensraum anzupassen, am Ende des Tages (oder eher der Jahrtausende), darin auch am ehesten lebendig, was letztlich bedeutet sich fortpflanzend, verbleibt. Eine schöne Theorie, in der die liebe Mutter Erde einen zentralen Platz einnimmt und sich alle anderen freundlich und demütig auf sie einstellen. Lebensraum vor Lebewesen!
Wie den meisten Menschen spätestens im Laufe des vergangenen Jahres klar geworden sein dürfte, hat der Homo Sapiens sich selber aus dieser Gleichung herausgenommen und das erreicht, was kein anderer Organismus, solange man es auch nur entfernt abzuschätzen vermag, in der Lage oder zumindest willens war zu tun, nämlich den eigenen Lebensraum nahezu unbewohnbar machen!
Im Gegensatz zu marodierenden Horden von Weidevieh oder Insekten, die schon früher Landstriche bis zum totalen Bankrott ihrer Ressourcen beraubten und temporär unbewohnbar hinterließen, zieht der Mensch leider danach nicht weiter und lässt der Natur die Chance sich eigenständig zu regenerieren. Im Gegenteil, er sucht sogar noch nach Methoden, die übrig gebliebene Einöde anderweitig zu vergewaltigen. Beispielsweise durch ein süßes, kleines Atomendlager, das dafür sorgt, dass auch mindestens zehn Generationen unserer und, abgesehen von Küchenschaben, jeder anderen Spezies, dort nicht wieder so schnell glücklich und/oder mehr werden.
Was hat diese übertrieben lebensverneinende, apokalyptische Gesellschaftskritik nun mit einer Endjahreskrise zu tun? Sind das nicht eher Gedanken, die man das ganze Jahr über, zumindest aber in den tiefen Depressionen oder nach einem ganz miesen Heimspiel des HSV haben müsste. Ganz sicher möglich. Stein des Anstoßes ist aber gerade die so schön mit Euphemismen geschwängerte "besinnliche Adventszeit und die Zeit "zwischen den Jahren (was auch immer das heißen soll, es gibt ja schließlich auch keinen Buchstaben "zwischen A und B, wo das Eine aufhört, setzt das Andere relativ nahtlos an).
Man hat in diesem Monat einfach mehr Zeit nachzudenken oder zumindest nachdenklicher zu sein als sonst. So heißt es zwar, in Wirklichkeit aber hat man mehr Zeit zum Einkaufen. Wie sonst würde man sonst Strickpullis mit Rentiermuster, beleuchtete Plastikschlitten im Vorgarten, 24-Stunden-Adventsdekorationen im Mietwohnungsfenstern und all den anderen saisonalen Unfug erklären wollen? Ganz sicher nicht mit akuter, allgemein gestiegener geistiger Aktivität, sondern eher dem Unterkühlen bis Einfrieren, ergo gänzlicher Abwesenheit selbiger.
Es fällt zugegebenermaßen schwer, sich dem Konsumrausch schlicht zu entziehen, wird man doch von allen Seiten dermaßen bedrängt, gelockt, verführt und manchmal sogar ausgetrickst. Auf die Frage einer beliebigen Ehegattin, wieso statt des vereinbarten Küchenradios jetzt ein 57-Zoll Flachbildfernseher inklusive Dolby-Surround-Anlage unterm Baum liegt, soll heutzutage die Antwort "Es war so günstig! Der nette junge Mann hat mir alles für nur dreitausendfünfhundert... tatsächlich hier und da auf so etwas wie Verständnis stoßen. Vor wenigen Jahren noch undenkbar. Der schier unwiderstehliche Verführer-Charme eines Oliver Pocher als geschniegelter Elektronikverkäufer, scheint hier beim vermeintlich schwächeren Geschlecht, mit dafür erheblicher Stärke beim Shoppen, das Seinige beigetragen haben. Vielleicht war es aber auch eher ein ach so schnuckeliges Schweinchen mit irgendwie sehr vertraut klingender Stimme oder am Ende gar ein nicht weniger vertraut säuselndes, rosarotes Blinzelhundevieh?!
Wer weiß.
Persönlich habe ich mich in diesem Jahr dafür entschieden der Konsumtodesspirale zu entrinnen und mich mit Familie und Freunden auf einen gegenseitig-nicht-beschenken-Pakt zu einigen. Stattdessen spenden wir alle was fürs Klima!
Den neuen Plasmafernseher kauf ich mir dann selber. Im Januar, mit dem gesparten Geschenkegeld. Denn dann werden die Weihnachtsaufschläge beim Elektronikfachhandel und das schlechte Gewissen sich langsam wieder darin auflösen, was mir 140 cm gestochen scharfe Bilddiagonale jeden Abend kommend verschaffen. Eine ganze Menge Wohlgefallen.
Text: Hendrik Menz (hendrik@menzmusic.com)