Farbenlehre
Es nervt, wenn wieder einmal in diesen Tagen, der unbescholtene Bürger seinen Briefkasten öffnet und prompt ihm eine Fülle jener Werbeblättchen entgegenpurzelt, die eine breite Palette an Grünpflanzen aller Farbschattierungen bewirbt. Es fehlt nur noch der Kaktus! Als ob der Gipfel noch nicht erreicht wäre, wird unsereins tagtäglich aufs Neue mit der penetranten Aufforderung einer nordischen Möbelkette beschallt "mal wieder grün-zu-machen". Wahrscheinlich ebbt diese unheilvolle Kampagne erst dann langsam ab, wenn KNUT erneut beworben wird und man im Fernsehen wieder bestaunen kann wie Weihnachtsbäume aus Fenstern zahlreicher Eigentumswohnung geworfen werden.
Dabei scheint dieser Urtrieb des Homo sapiens tief in unserer Psyche verwurzelt zu sein. Beim kleinsten Temperaturanstieg werden Blumengeschäfte, Gärtnereien und Baumärkte in der näheren Umgebung erstürmt, um unter den strengen Blicken des nächstgelegen Gartenzwergs fachmännisch und mit deutscher Gründlichkeit Geranien, Stiefmütterchen und Petunien in Balkonkästen oder Blumenbeete einzupflanzen.
Nur Manager und angehende Führungskräfte - so mein Eindruck - scheinen sich gänzlich diesem unheilvollen Sog entziehen zu können. Für sie ist das ganze Jahr buntscheckig. Sie kennen nämlich die Theorie des neurolinguistischen programmings, das Personen hinsichtlich ihrer Persönlichkeitsmerkmale in Rote, Grüne oder Blaue einteilt.
Frauenversteher meinen hingegen, dass diese Vorgänge eher subtil im Unterbewusstsein der Weiblichkeit ablaufen. Ihr Riechorgan ist wohl unwiderruflich mit ihrem Hang für menschliche Sympathien verschmolzen, frei nach dem Motto "Ich kann dich nicht riechen". Daher wahrscheinlich auch die Vielzahl der Flacons und wohlriechenden Parfumfläschchen, die man(n) in gut sortierten Badezimmern einer Dame kann.
Unterdessen scheint sich dieser Trend zur Mehrfarbigkeit bis in die Politik herumgesprochen zu haben. So hat sich die Union auf der Suche nach der bürgerlichen Mitte leise und klammheimlich von dem tiefen Blau ihres Corporate Designs verabschiedet, um es durch ein leuchtendes Orange zu ersetzten. Vor allem in Wahlkampfzeiten kann dieser Wandlungsprozess besonders gut nachvollzogen werden, wenn freigiebig Kugelschreiber und Luftballons in großer Zahl und in diesem Farbton an das träge Wahlvolk verteilt werden.
Die Freie Demokratische Partei - kurz FDP hat dagegen unlängst ihr recht verblasstes gelb-blaues Parteilogo mit einem jugendlichen und frisch anmutenden Neuanstrich wieder Leben eingehaucht Magenta heißt die Zauberformel, ein ins Violett gehender Rotton. Die Fahrer des Teams Telekom trugen Trikots in derselben Farbe zuletzt auf ihrer Frankreichrundfahrt. Das kann natürlich dem Umstand geschuldet sein, dass Herr Lindner, der Bundesvorsitzende der Liberalen, ursprünglich aus dem Rheinland stammt was übrigens eine Farbauffrischung durch ein Ferrari-Rot ausschließt. Andererseits könnte hiermit auch der dezente Hinweis des Vorsitzenden an seine Parteifreunde verbunden sein, nur kräftig genug in die Pedale des eigenen Heimtrainers zu treten, damit sich beim gemeinschaftlichen Fernsehabend am Wahltag der Balken an Wählerstimmen für die FDP auch wirklich über die Fünf-Prozent-Hürde hievt. Um dieses vorerst letzte Geheimnis der Freien Demokraten zu lüften könnten Sie nun einfach den nächsten Vertreter dieser aussterbenden Wählergruppe befragen, wenn ja wenn dieser nicht schon zur Unterstützung seiner Parteifreunde für die am 10. Mai stattfindende Wahl nach Bremen geradelt ist.
In diesem Sinne, bleiben Sie neugierig und bekennen Sie Farbe !!
Text von Dirk Exner