Es liegt was in der Luft
Haben sie es gemerkt? Gewiss die Tage werden länger, die Temperaturen steigen und die Röcke der Damenwelt deutlich kürzer, was vor allem dem männlichen Bevölkerungsteil dieser Republik gefallen mag. Nein, das meine ich aber nicht. Im Grönemeierschen Sprachduktus ausgedrückt, es kommt die Zeit "das sich was dreht."
Die Vorboten sind schon klar erkennbar, so hat ein bekannter Discounter am 22.Mai die Fussballwochen ausgerufen, beim Ernährungspartner des Deutschen Fußball-Bundes gibt es das "RAMBA ZAMBA DO BRASIL" Sammelspiel und der Einkauf des durchschnittlich normal gestressten Großstädters entwickelt sich zu einem Spießrutenlauf, um nicht überall in die Visagen der freundlich dreinblickenden Jungs in den weißen Hemden mit dem Bundesadler drauf blicken zu müssen . So wird es wahrscheinlich gar nicht mehr lange dauern, bis Eltern sich vor ihren Kindern rechtfertigen müssen, warum der Warenwert des Wochenendeinkaufs nur 9.99 Euro statt 10 Euro beträgt und den Kleinen ein weiterer Sticker für ihre Sammelkarte verwehrt bleibt.
Als mir neulich eine Verkäuferin ein Päckchen dieser Panini-Sticker in die Hand drückte und ich entgegnete, dass ich die Spieler doch alle gar nicht kennen würde, entgegnete mir die charmante und allzeit hilfsbereite Verkäuferin, dass ich halt die Spielernamen lernen müsse. Ich hab das mal durchgerechnet, bei 8 Gruppen mit 32 Mannschaften à 11 Feldspielern Ersatzspieler und Trainer nicht mitgerechnet wären das 352 Namen. Dazu verbleiben mir, für die Dauer der WM, 12. Juni bis 13. Juli, etwa 32 Tage. So dass ich am Tag mindestens die Namen einer Mannschaft (11 Feldspieler) lernen muss. Eine ambitionierte aber sicherlich machbare Aufgabe, wie ich finde!
In nächster Zeit werden dann wahrscheinlich die eloquenten und zielsicheren Spielanalysen der Béla Rhétys, Oliver Kahns und Memet Scholls die Omnipräsenz der Daubners, Wills und Plasbergs im deutschen Fernsehen zurückdrängen und die Sorge um das Befinden von Phillipp Lahm s großen Zeh oder die Aufstellung der deutschen Nationalmannschaft die Gemüter erhitzen. Abzuwarten bleibt, ob auch vermehrt Kleinkinder ausgesetzt werden, weil Mama und Papa heute mal ohne Ohrstöpsel die Liveübertragung der Spiele bei sattem Dolby-Surround-Sound verfolgen wollen. Ich meine, in der Beziehung von Kleintieren und Tierheimen verhält es sich ja ähnlich obwohl die Tiere wahrscheinlich aus einem anderen Grund vor den Ferien ausgesetzt oder abgegeben werden.
Und war da noch was? Ach ja, die Nullnummer im letzten Länderspiel gegen Polen. Ein schlechtes Omen, oder sogar ein Anzeichen für eine Formschwäche des deutschen Teams. Nein, es war, wie ich finde, nur konsequent gegen einen geografisch gesehen - direkten Nachbarn, dessen Hooliganszene nicht unbedingt den Ruf genießt, die zartbesaiteteste zu sein, wie wir spätestens nach der WM in Polen und Ungarn gelernt haben, zu Null zu spielen. Ein Akt der Völkerverständigung könnte man also sagen. Toll habt ihr das gemacht Jungs. Wir werden euch auch mögen, wenn ihr bei der WM in Brasilien nicht zu Null spielt...
In diesem Sinne bleiben sie neugierig !!!
Text: Dirk Exner