"Mein Weg zum Reichtum"
Neulich hat es mich nach langer Zeit wieder ins Kino verschlagen und zwar in Bushidos autobiografischen Film "Die Zeiten ändern dich". Für alle, die Deutschlands erfolgreichsten Gangsterrapper nicht kennen: Es handelt sich um den 1978 bürgerlich geborenen Anis Mohamed Youssef Ferchichi, der es innerhalb weniger Jahre mittels Skandalen und Rapmusik mit ziemlich derben Texten aus dem "Ghetto Berlin Tempelhof" auf die Treppe der Stars geschafft hat.
Nach dem Film dachte ich mir: Warum er? Warum nicht ich? Unsere Voraussetzungen waren schließlich die gleichen, zumindest, wenn man den Braunschweiger Stadtteil Heidberg als Ghetto bezeichnet, was durchaus legitim erscheint Berlin Tempelhof ist schließlich auch nicht die Bronx.
Wie dem auch sei. Ich habe mir Gedanken gemacht, wie auch ich es schaffen könnte, in kürzester Zeit reich und berühmt (meinetwegen auch berüchtigt) zu werden. Rapmusik ist natürlich eine Möglichkeit. Durch sie wird vor allen Dingen die jüngere Generation angesprochen und man kann sich sicher sein, dass die Basis des Ruhms, nämlich das Publikum, nicht innerhalb weniger Jahre weg bricht.
Also habe ich diverse Opensource-Software auf meinem Rechner installiert, ein paar nette Beats damit erstellt, den Multitracker angeworfen und wollte etwas Cooles rappen. Und damit begannen auch schon die Probleme. Offenbar bin ich zu gut erzogen und mein Repertoire an Schimpfwörtern viel zu klein. So würde das nichts werden. Ohne Fäkaliensprache und Aufruf zur Gewalt würde es keinen Aufkleber "Parental Advisory: Explicit Lyrics" auf meiner CD geben, und ohne diesen Aufkleber keinen Respekt von der Jugend. Folglich habe ich die Idee mit der Musik schnell wieder verworfen und überlegt, wie ich es dennoch schaffe, berüchtigt, und damit auch berühmt zu werden (dass sich der Reichtum nach kurzer Zeit von selbst einstellt, ist selbstverständlich, oder?).
Bushido hat es durch das Dealen mit Drogen und das Zusammenschlagen anderer Leute erreicht. Auch keine sonderlich gute Idee. Mit Drogen habe ich nichts am Hut und bis mein Hanteltraining erste Früchte zeigt, und ich es wagen kann, ein Ghettokid schief anzuschauen, vergehen vermutlich noch Jahre.
Stattdessen kam mir die Idee, ein wenig Wirbel bei meinem Arbeitgeber zu verursachen, indem ich versuchte, einen Betriebsrat zu gründen, was leider völlig nach hinten losgegangen ist. Gut, meine berufliche Zukunft habe ich mir damit verbaut (schon einmal der erste Schritt zu einer erfolgreichen Gangsterrapper-Karriere), aber jubelnde Fans hat mir das trotzdem nicht eingebracht.
Auch die Idee, es mir mit Freunden und Verwandten zu verderben, indem ich deren Autos demolierte oder sie mit Sprüchen wie "Ey Alter, deine Mutter ist so dick, dass sie mit ihrer Gravitation ein Loch in das Raum-Zeit-Kontinuum reißt" malträtierte, hat nicht gerade zu Ruhm und Reichtum geführt, wohl aber zu einem drastisch verringerten Bekanntenkreis. Vom Prinzip her schon mal nicht schlecht, denn wenig Freunde bedeutet, dass es weniger Menschen gibt, die sich von mir Geld leihen möchten, wenn ich erst einmal mit meinem Mercedes Benz über den Bohlweg chille.
Dennoch: Zwietracht unter Freunden zu säen, bringt einem keine bundesweiten Schlagzeilen und das ist etwas, auf das sich Gangsterrapper Bushido immer wieder beruft.
Als nächste Alternative habe ich in Betracht gezogen, einige Polizisten, die morgens mit mir im Zug nach Wolfsburg fahren, zu beleidigen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Cops offenbar keine Pistolen tragen, relativ gefahrlos wenn sie nicht alle einen Kopf größer wären als ich. Darüber hinaus bin ich mir nicht sicher, ob das Publikum im Zug das Richtige ist. Schließlich besteht es aus hart arbeitenden Angestellten. Meine Zielgruppe ist aber eher die Jugend. Die hat noch keine Familie und somit mehr Geld, das sie für meine CDs und T-Shirts ausgeben kann.
Mittlerweile muss ich ernüchtert zugeben, dass ich den Film "Die Zeiten ändern dich" ziemlich unrealistisch finde. Jeder, der versucht hat, King Bushidos Weg einzuschlagen, sich gegen Arbeitgeber, Freunde und Staatsgewalt gewendet hat und nun einsam und alleine da steht (oder im Knast sitzt), wird mir zustimmen: Mit Provokation kann man die Menschen zwar kurzzeitig aus ihrem lethargischem Schlaf reißen, es reicht aber nicht aus, um von einem Tag auf den anderen im Rampenlicht zu stehen. Oder mir fehlen dazu einfach die hartnäckige, großmäulige Nehmerqualitäten.
Aber vielleicht ist es auch gar nicht so erstrebenswert, ein Star zu sein!?
Berühmt sein bedeutet, dass man entsprechend viele Bittsteller hat, Groupies, die man bei näherem Hinsehen vielleicht doch nicht haben möchte, Probleme mit den Medien und so weiter.
Reich sein, das alleine würde mir schon genügen. Auf den Ruhm kann ich gerne verzichten.
Okay, das sollte kein Problem sein. Wofür gibt es Google? Die Suche nach "schnell reich werden" liefert etwas über fünf Millionen Ergebnisse, da wird wohl auch eine Methode dabei sein, die für mich in Frage kommt.
Doch weit gefehlt. Nächtelange Analysen haben ergeben, dass die Tipps zum Reichwerden sich entweder auf obskure Pyramidenspiele beziehen oder man bereits ein gewisses Startkapital benötigt, um es in äußerst risikoreiche Investmentprojekte zu stecken.
Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Suchergebnisse beschäftigt sich auch mit diversen "Jobs", die Reichtum versprechen. Eigentlich genau das, was ich nicht wollte.
Die Verfeinerung der Suche auf "Schnell reich werden ohne Arbeit", verringert die Anzahl der Suchergebnisse dann auf etwas weniger als eine Million Einträge und die meisten von ihnen beschäftigen sich mit der Argumentation, warum es nicht möglich ist, ohne Arbeit reich zu werden.
Schon nach kurzer Zeit musste ich mir also eingestehen, dass es mit "Reich und Berühmt" nicht ganz so einfach ist, wie ein gewisser Kinofilm suggeriert.
Mittlerweile habe ich angefangen, mich mit dem Buddhismus zu beschäftigen.
Ich bin zwar kein religiöser Mensch, aber eines muss man Buddhas Lehren lassen: Legt man genügend Achtsamkeit an den Tag, so sieht man auf einmal den eigenen Reichtum. Den Reichtum, der sonst im Verborgenen liegt. Das Zusammensein mit Freunden, die leuchtenden Augen einer Tochter, ein Job, der zwar nicht reich macht, aber das Überleben sichert, Hobbys, Familie, all das sind Dinge, die den wahren Reichtum ausmachen.
Klar: Hin und wieder schwelge auch ich in den Träumen, ein berühmter Rapper zu sein, mein Geld damit zu verdienen, dass ich mich einfach auf eine Bühne stelle und andere Menschen beleidige, nach dem Konzert in meinen Mercedes steige, ein oder zwei Groupies einpacke und eine Backstageparty feiere, welche den Aufkleber "Parental Advisory: Explicit Lyrics" definitiv verdient hat.
Es sind Träume von Ruhm und Reichtum, die vermutlich niemals in Erfüllung gehen werden, die mich aber dennoch zu einem reichen Menschen machen. Vielleicht reicher, als ein Gangsterrapper es jemals sein kann.
Andreas Altwein (kontakt@andreas-altwein.de)