Winterzombies
Seit einigen Wochen sind nun die Uhren umgestellt, was konkret bedeutet: Es wird am späten Nachmittag schon stockdunkel. Das macht die meisten Menschen nicht nur müde, sondern offenbar auch komplett verrückt.
Als Studentin habe ich das große Privileg, nicht erst um 18 Uhr von der Arbeit zu kommen. In der Regel habe ich also was von meinem Nachmittag. Als Hundemensch hat man einen recht strikten Tagesablauf die Hundeblase gewöhnt sich daran und hasst Veränderungen. Morgens zwischen 7 und 8 wird aufgestanden. Eine gemütliche Runde durch den Park. Winterzeit sei Dank ist es momentan wieder hell bei dieser Runde. Auch die weiteren Runden, wie der große Mittagsspaziergang, kann man im Hellen genießen. Oft sogar bei Sonnenschein. Aber selbst der Regen stört nicht sehr, solange man was sehen kann. Normalerweise finde ich es sehr schön um 18 Uhr rum nochmal einen Spaziergang zu machen. Die perfekte Uhrzeit für eine Abendrunde, damit man dann vor dem Schlafengehen mit dem Hund nur noch an einen Baum muss und direkt wieder hochschleichen kann. Doch Winterzeit sei weniger Dank ist es nun um 18 Uhr schon stockdunkel. Aber es ist kein angenehmes stockdunkel, wie nachts, wo es still ist, fast schon unheimlich, aber wo man keine Menschen trifft. So ein Dunkel mag ich. Nicht aber das "Winter-18-Uhr-alle-kommen-von-der-Arbeit"-Dunkel. Das ist schrecklich. Die dunkle Luft wird gestört durch Autolichter, gestresste Menschen, die gerade von der Arbeit kommen. Der Hund und ich mittendrin.
In den Park geh ich nicht gerne, wenn es dunkel ist, weil ich grundsätzlich das Potential zum Tollpatsch besitze. Schon wenn es hell ist trete ich in Matschpfützen und Hundehaufen, was noch harmlos ist. Ich bin aber auch schon sehr oft umgeknickt, weil ich Wurzeln, Stöcker oder Löcher nicht gesehen habe. Matsch und ekligeres lässt sich säubern, ein umgeknickter Fuß ist wahnsinnig unangenehm. Darum also bevorzuge ich im Dunkeln die gepflasterten Wege im Viertel und für den Hund den Grünstreifen. Leider ist es dadurch fast unmöglich den Menschen, den Autolichtern und dem Stress aus dem Weg zu gehen. Doch oft bieten sich dadurch auch skurrile Situationen zum Beobachten an, die die unterschiedlichen Winterzombies, wie ich Menschen im Winter nach 18 Uhr gerne nenne, wunderbar charakterisieren.
So zum Beispiel der "waghalsige Fahrradfahrer". Man erkennt ihn daran, dass er auch im Hellen schon keinen Helm trägt, was noch irgendwie jedem selbst überlassen ist. Im Dunkeln jedoch paart er seinen ungeschützten Kopf mit der Gabe statt Augen offenbar Nachtsichtgeräte im Kopf zu haben. Fahrradbeleuchtung? Überbewertet. Verkehrssicherheit? Was ist das? Wie oft habe ich mich schon erschrocken, weil ich die Straße überqueren wollte und plötzlich direkt vor mir ein von der Dunkelheit verschluckter Radfahrer entlangrast. Leise wie die Nacht vor dem möglichen Zusammenprall, laut fluchend wie ein Rohrspatz danach. Wie konnte ich ihn auch in seiner schwarzen Jacke auf seinem unbeleuchteten Fahrrad übersehen.
Eine weitere Zombieart sind die "unsicheren Autofahrer". Die haben wenigsten Licht an, obwohl ich das Gefühl habe, sie könnten es auch auslassen, weil sie ohnehin nichts sehen. Die Mechanik des Autos ändert sich doch nicht nach Tageslicht, aber trotzdem habe ich das Gefühl beherrschen die wenigsten ihr Gefährt, sobald es dunkel ist. Entweder sie schleichen durch den Verkehr, dass sogar ich und mein Hund schneller sind, oder sie rasen durch die Straßen, schneiden Kurven, die man im Dunkeln wohl nicht mehr sieht, und hupen, um ihre Anwesenheit zu demonstrieren.
Außerdem gibt es noch Zombiekinder auf Laufrädern, Zombieomas mit Rollator, Zombieteenies auf Skateboards und die Liste lässt sich endlos weiter führen. Das einzige, was wirklich sehr auffällig ist, ist die Tatsache, dass die meisten Zombies im Winter ganz anders, als wir es von bekannten Filmen oder Serien kennen immer auf Rädern kommen. Fußgänger dagegen empfinde ich meistens als angenehm, weil sie einen weder umfahren, anfahren oder überfahren können. Wenn dann erstmal der Schnee da ist, dann werden die meisten hoffentlich ihr Alter-Zombie-Ego daheim lassen, und sich zu den Fußgängern gesellen. Denn außer stolpern oder ausrutschen, können wir keinen großen Schaden anrichten, und den auch nur bei uns selber.
Text: Annika Schwedhelm